ONB Labs Art Program 2022-2023

Das ÖNB Labs Art Program war das dritte und umfangreichste „artistic experiment“ für das Projekt „Open digital Libraries“. Wir luden vier Kunststudierende ein, sich kreativ mit unseren digitalen Sammlungen auseinanderzusetzen.

Unser drittes „artistic experiment“ profitierte erheblich von den Erfahrungen der ersten beiden Programme sowie vom Feedback und Austausch mit Projektpartnern, der Estnischen Nationalbibliothek und der Nationalbibliothek der Niederlande. Während die ersten beiden Programme einen internationalen Fokus hatten und Künstler*innen unterschiedlicher Erfahrungsstufen ansprachen, richtete sich das dritte Programm an Studierende österreichischer Kunstuniversitäten (Universität für angewandte Kunst Wien, Akademie der bildenden Künste Wien und Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung Linz) als Zielgruppe. Für die künstlerische Betreuung des Programms und die Jury konnten wir Irene Posch und Manuela Naveau gewinnen, beide Professorinnen an der Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung Linz.

Erkunden der digitalen Sammlungen

In Absprache mit Irene und Manuela öffneten wir vier digitale Sammlungen historischer Bestände für die künstlerisch Bearbeitung und verknüpften sie mit relevanten zeitgenössischen Themen. Diese Sammlungen umfassten:

  • Die Wiener Zeitung: Etwa 34.000 Ausgaben aus den Jahren 1703 bis 1882, die sich bereits während unserer Web Residencies als fruchtbares Material erwiesen hatten.
  • Digitalisierte Postkarten (AKON): Rund 75.000 Postkarten aus dem späten 19. Jahrhundert bis in die 1940er Jahre. Die benutzerfreundliche Oberfläche des AKON-Portals bietet einen geografischen Einstieg.
  • Botanische Illustrationen: Eine Sammlung von etwa 1.800 digitalisierten Aquarellen, die von den Hofbotanikern Franz des I., Mathias Schmutzer und Johann Jebmayer stammen, aus dem Bildarchiv der ÖNB.
  • Reiseberichte: Englische, französische und deutsche Berichte von 1501 bis 1850, zusammengestellt in Forschungsprojekten wie „Reiseberichte – Wahrnehmungen des Anderen“ und „Ottoman Nature in Travelogues“ (ONiT). Viele der Berichte enthalten Illustrationen und Karten.

Die digitalisierten Postkarten und botanischen Illustrationen standen in visueller Form zur Verfügung, die Zeitungsausgaben und Reiseberichte wurden sowohl als Bilder als auch als durchsuchbare Volltexte angeboten.

Vom Kick-off bis zum Mid-Term Workshop

Zu Beginn des ÖNB Labs Art Program veranstalteten wir einen Kick-off-Workshop, bei dem den Studierenden Informationen über die Geschichte und Struktur der Sammlungen vermittelt und sie mit den Materialien vertraut gemacht wurden. Expert*innen aus den Sammlungen und eine Vertreterin der Wiener Zeitung erzählten über die Geschichte der ausgewählten Bestände und präsentierten Originalobjekte. Obwohl die Studierenden im Art Program ausschließlich mit digitalen Beständen arbeiteten, war das Wissen über die Materialität der physischen Bestände für die künstlerische Arbeit unverzichtbar. Im Januar 2023 veranstalteten wir einen Mid-Term Workshop an der Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung Linz, um den künstlerischen Arbeitsprozess zu begleiten. Dieser Workshop diente als wichtiger Meilenstein und bot den Teilnehmer*innen die Möglichkeit, ihre Erkenntnisse zu teilen und Feedback zu erhalten.

Die Endphase

Nach Ablauf der Frist für die Fertigstellung der Kunstwerke Ende Februar 2023 begannen wir mit der wichtigen Phase der Integration in den ONB Labs Artspace. Dabei arbeiteten wir eng mit den Künstler*innen zusammen, um sicherzustellen, dass ihre Werke in die virtuelle Artspace-Umgebung passten und gleichzeitig ihre ursprüngliche Essenz bewahrten. Unter Berücksichtigung technischer und ästhetischer Aspekte entschieden wir über die visuelle Darstellung und die möglichen Interaktionen.

Die ÖNB Labs Art Program Finissage

Die Ergebnisse wurden ab 8. Mai 2023 im Artspace ausgestellt und bei der Art Program Finissage im Literaturmuseum in Wien präsentiert. Der gesamte Prozess der Gestaltung der Veranstaltung erfolgte in Kollaboration mit den Künstler*innen und der Betreuerin Manuela Naveau. Wir entschieden uns dafür, einen Teil der Ausstellungsfläche im Literaturmuseum als explorativen Raum für die Kunstwerke zu gestalten, während im Eingangsbereich Raum für Diskussionen und Austausch geschaffen wurde. Die Besucher*innen waren eingeladen, zwischen den beiden Räumen zu flanieren. In einem offenen Forum diskutierten wir mit den Künstler*innen und Manuela Naveau über deren Perspektiven zur Arbeit mit den Sammlungen.

Kunstwerke

Jede der Künstler*innen brachte eine einzigartige Perspektive ein und nutzte verschiedene Techniken und Methoden, um Themen zu bearbeiten, die von Klang- und Bildverbindungen bis hin zu Erinnerung, Hyperkonnektivität und der Neuinterpretation von Erzählungen reichten.

Lisa Puchner, eine multidisziplinäre Künstlerin, untersucht in ihrer künstlerischen Praxis das Zusammenspiel von Klang und Bild. In ihrem Werk für das ÖNB Labs Art Program verwendete sie Postkarten aus dem AKON-Archiv als Quelle. In „Horizon Noise“ nutzt Puchner die symbolische Bedeutung des Horizonts, um den Ton für ihre Erkundung anzugeben. Indem sie diese Ansichten abstrahiert und übersetzt, fordert Puchner das Publikum auf, genau auf die Unterschiede in den Melodien der verschiedenen Orte zu achten und ermöglicht so eine neue Perspektive auf die Beziehung zwischen Klang, Bildern und unserem Verständnis von Ort.

Katharina Birkmann, eine Künstlerin mit Fokus auf interdisziplinäre Praktiken, erforscht in ihrer Arbeit Erinnerung und räumliche Organisation. Im Rahmen des ÖNB Labs Art Program tauchte sie in verschiedene Sammlungen und den physischen Archivraum selbst ein, um ihr Werk mit dem Titel „Blumenstadt Venedig oder Die Elektrische Stadt. Exterritorial.“ zu schaffen. Birkmann untersucht unsere Vorstellung von Erinnerung, die an bestimmte Orte gebunden ist, und hebt die fiktive und fantastische Natur von Archivgebäuden hervor. Ihre Erkundung virtueller Archive zielt darauf ab, hybride Eindrücke von Raum, Zeit, Erinnerung und Wissen wiederzubeleben.

Miguel Rangil, ein Künstler aus Spanien, erforscht die hybride Natur der Menschheit und das Zusammenspiel von Technologie und Natur. Im ÖNB Labs Art Program untersucht er die Auswirkungen künstlicher Intelligenz (KI) auf unsere Wahrnehmung, unser Verständnis und unsere Interaktionen. Rangil nutzt KI-Tools und lässt sich von historischen Sammlungen inspirieren, um Verbindungen und Muster aufzudecken, die über die Zeit hinausgehen. Mit seinem Projekt „Hyperconnected Past“ beleuchtet er die Essenz von Bildern und ihre Rolle bei der Gestaltung unseres Verständnisses der Vergangenheit und bietet neue Perspektiven auf unsere hypervernetzte Welt.

Valentina Rodríguez Morales, eine Künstlerin aus Kolumbien, interpretiert archivarische Bilder neu, um einen Dialog zwischen Gegenwart und Vergangenheit herzustellen. In ihrem Projekt „Echoes of Experience“ erstellt sie einen digitalen offenen Brief, der Texte aus den Reiseberichten und Postkaten aus dem AKON Archiv verwendet. Basierend auf ihrer persönlichen Verbindung zum Archiv und ihren Erfahrungen als Migrantin erforscht Rodríguez Morales unkonventionelle Erzählungen und die Empfindungen von Fremdheit und Exotik. Die Besucher*innen des Projekts lassen sich auf eine Übung in Empathie ein, indem sie über ihr eigenes Gefühl von Ort und Zugehörigkeit nachdenken und gleichzeitig Verbindungen zu den im Archiv abgebildeten fremden Landschaften entdecken.

Um die Werke zu erkunden, besuchen Sie https://labs.onb.ac.at/artspace/.

Die ÖNB Labs sind bestrebt, das Experimentieren mit Daten aus digitalen Kulturgütern zu fördern und diese digitalen Sammlungen für den kreativen Gebrauch zu öffnen. Weitere Beispiele für Projekte, die mit den Daten der ÖNB Labs umgesetzt wurden, sind unter labs.onb.ac.at zu finden. Das Art Program ist Teil des Projekts „Open Digital Libraries for Creative Use (ODL)“. Das Projekt ist eine Kooperation der Österreichischen Nationalbibliothek mit den Nationalbibliotheken der Niederlande und Estlands. Es widmet sich der Öffnung digitaler Bibliotheken für die kreative und wissenschaftliche Nutzung. Informationen zum Projekt und Berichte von durchgeführten Kunstprojekten finden Sie auf der Projektwebseite. ODL wird kofinanziert durch das Programm Kreatives Europa der Europäischen Union.