Tagebuch von Andreas Okopenko, 23.12.1952-02.02.1953 - Digitale Edition Okopenko Andreas TezarekLaura HerberthArno HebenstreitDesiree EnglerthHolger Digitalisierung HebenstreitDesiree Transkription TezarekLaura Formale Codierung TezarekLaura Semantische Codierung EnglerthHolger Stellenkommentar EnglerthHolger Korrektur HebenstreitDesiree Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung FWF P 28344 Einzelprojekte InnerhoferRoland Version 2.0 Austrian National Library
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o:oko.tb-19521223-19530202
Vienna Austrian National Library Literary Archive 399/W163 AC14414256 Z148514808 Papier 132 Blatt Tagebuchheft mit Beilagen Von Andreas Okopenko mit Schreibmaschine geschriebener Text. Von Andreas Okopenko mit der Hand geschriebener Text. Von unbekannter Hand handschriftlich geschriebener Text. Vorgedruckter Text unbekannter Hand.

Tagebuch

1952/53

AOk

260

Tagebuch

von ... Di, 23 12 52

bis ... Mo, 2 2 53

Di 23 12 52:

Vorweihnachtlich: Büroende. (Für 5 Tage.)

Die Schutzleute stehen auf den Verkehrsinseln, von Weihnachtspaketen umgeben.

Glatteis aber kein Schnee.

Abends froh aber recht müde.

Mi 24 12:

Vormittags Arbeiten zuhause. Ruß geputzt und Türschnallen gereinigt.

Es ist nicht die geeignete Zeit, Ortega y Gassets "Meditationen über die Liebe" zu lesen.

Nachzutragen vom letzten Sonntag: Früh Thomas Manns Vortrag gelesen, unter dem Titel "Meine Zeit", den er zu seinem 75. Geburtstag vor der Universität in Chicago gehalten hat.

Er hat mir sehr gut gefallen.

Die heurigen Weihnachten brachten nützliche Geschenke und üppiges Essen.

Die Stimmung hob sich nicht allzusehr aus der alltäglichen Stimmung. Ich hatte großes Vergnügen mit Stefan Zweigs Buch ("Die Welt von gestern"), das ich geschenkt bekam.

Do 25 12,

erster Weihnacht-feiertag, "Familientag" mit Tante und Paul wie jedes Jahr. Kein Aufschwung, etwas Nützliches zu tun.

Fr 26 12

vormittags gearbeitet, nachmittags, als Mama in die Adamsgasse fuhr, zum großen Teil gefaulenzt. Auch am Abend habe ich nicht sehr intensiv gelebt.

Sa 27 12:

Früh auf die Linzerstraße. Der, wie es scheint, vergebliche Wunsch nach Frieden sitzt in einem drin und unterdrückt jedes andere Streben.

Fritsch und Weigel geschrieben.

Nachmittag nur ein wenig am Bändchen weiterge-arbeitet.

Abends Zweig gelesen. Traurige Träume vom morgigen letzten freien Tag.

So 28 12:

Früh die Idee, die publikationen einzu-stellen und in die "Neuen Wege" zurück-zukehren. Fuhr nachmittags damit zu Kein, der nicht zustimmte.

Vormittags lange Lagebesprechung zuhause.

Abends kam ich etwas spät heim und beschloß mit Ordnungen und Arbeiten für die "publ. nr. 8" die Feiertage.

Mo 29 12:

Früh Notizen gemacht, wieder über die Landschaften und die Vergänglichkeit.

Abends länger im Büro geblieben und die Entwürfe für die Karteien vorgelegt.

"Zerschlagen" heim.

Unsere Anschrift lautet ab 1. Januar 1953:

Kindly note our new address:

WIEN, I., SINGERSTRASSE 8 TEL. R 22-5-88/8 9 ÖSTERREICHISCHE PAPIER- UND ZELLULOSEEXPORTGESELLSCHAFT mit beschränkter Haftung

Di 30 12:

Früh noch die Entwürfe erneuert, dann Übersiedlung in unser neues Büro:

Wien I. Singerstraße 8
.

Ich fuhr als erster, gleich mit dem Transport, an den neuen Arbeitsplatz. 3. Stock, Neonlicht, ich bekam (endlich) einen Schreibtisch mit Armsessel, nagelneu. Viel Arbeit:

Handgezeichneter Plan des neuen Büros, folgende Namen sind darauf vermerkt: Dr. L, Dir. St., Dr. Mj, Hr. W, Tante, ich, Wagner, Huber, Marchsteiner, Bauer, Cäsar, Fr. Heck
Kistenausräumen und heikle Schlepperei, bei der wir alle eingesetzt wurden.

Abends saßen wir schon fest, unser Zimmer sieht bereits geordnet aus. Unendlich wohl tut die größere Ruhe, die räumliche Trennung von den Herren und auch von Frl. H., der Raum, in dem man ohne Gedränge arbeiten kann, der eigene Schreibtisch und die Befreiung von Telephon-und Türöffnerbereitschaft. Küche, Garderobe, Warmwasser, mein Karteikasten .....

Ich ging zur Probe folgenden Weg zur Straßenbahn: Singerstraße - Graben - Kohlmarkt - Burg - Volksgarten - Bellaria, gegen Anraten, war aber rasch beim 46-er. Bekam diesmal S 150.-
DMi 31 12:

Mein neuer Büroweg ist sehr zeitsparend. Nach wie vor um 8h von daheim. War überraschend früh im Büro. Auch bringt das Gehen auf dieser Strecke Erfrischung, viele Bilder (nichts x langweilige und zu städtische wie etwa die Kärntnerstraße), die Möglichkeit, in Geschäften zu kaufen, auf jeden Fall eine Durchbrechung meiner klösterlichen Lebensverhältnisse.

Vormittags richteten wir unsere Zimmer weiter ein. Erster Arbeitstag im neuen Büro.

Mittags heimgekommen (Autobus bis Bellaria). Tante kam mitherausmit heraus. Ordnungen.

Ich versuchte, mich auf Silvester vorzu-bereiten.

Wir brannten die Kerzen am Weih-nachtsbaum zu-endezu Ende Ich rauchte schlechten Tabak aus einer Pfeife. Ich hörte die Ansprache aus St. Stefan (17h~). Wir tranken Schnaps. Ich schrieb Tagebuch. Ich war um Bier, und Rotwein (für Punsch), zu Westermayer ge-gangen. Wir schenkten dem Portier, Herrn Lindner, eine Schachtel Memphis-Zigaretten zu Neujahr.

Ich bedeckte die Photo-graphie Janets mit hellblauem und teefarbenem Zellophan-papier in wechselnder Anordnung, um ihren Reiz im Farbenspiel auszuleuchten.

Aßen Schnitzel. In der Radio-Wochenschau erklangen, um uns wieder ernst zu machen, politische Erinnerungen an dieses Jahr. Die amerikanische Hymne am Atlantik und die eiserne Stimme des Richters gegen Slanský.

Photographiert um 22 Uhr. (Silvesterbilder.)

Keine besondere Silvester-stimmung nachts. Das Radio brachte langweilige Musik und dürftig zusammengestoppelte Späße mit prominenter Besetzung.

Der Rückblick auf das alte Jahr, schon vor Tagen angestellt, ergab nichts Festhaltens-wertes. 1952 war eines der neutralsten Jahre meines Lebens.

Heute möchte ich doch noch einiges aufschreiben, was im Laufe dieses Jahres gut gekommen oder geblieben ist: Friede in Europa. Erhöhung meines Gehalts, materiell besseres Leben. Nun auch freundlichere Arbeitstätte. Gesund geblieben.

Amtlich nichts. (Zu erwähnen die proforma Kündigung unserer Anstaltwohnung.)

Literarisch schweigsames Jahr.

Das Jahr beendet, ohne einen Hinweis für die Liebe erhalten zu haben. (Einzig, daß Brigitte Kahr mir fern bleiben wird.)

Ich kam darauf, daß dieser Silvester der erste in meinem Leben ist, an dem ich vormittags habe arbeiten müssen.

Weißenborn und wahr-scheinlich Artmann als Freunde verloren, dafür Fritsch zurück-gewonnen, der von allen zurückgezogen gelebt hatte, und Jandl als Freund gewonnen. Dieser Tausch war trotz allem ein guter Tausch.

Nachts verlor ich, ohne berauscht zu sein, die Fähigkeit, auch nur einen Satz zu schreiben. Ich legte mich nach Mitternacht zu Bett.

1953.
1. Jänner 1953:

Zeitlos, weil die Uhr stehengeblieben war, aufgewacht und den Vormittag verbracht. (Im Radio ist die Zeit heute nicht angesagt worden.)

Ich fühlte mich lebhafter, ausgeruht; man ist ein ganz anderer Mensch, wenn man von früh an frei hat. (Heute wäre auch der Silvesterabend gelungen.)

Gut für mich gearbeitet. Mittags: Naturschnitzel.

Nachmittags in loser Form an den theoretischen Zwischenergebnissen der letzten Zeit weitergearbeitet.

Im Radio die Sportkantate von Jirgal.

Abends kam Artmann, um mich wegen angeb-lich kommunistischer Tätigkeit zur Rede zu stellen und mir dassein Vertrauen und das Vertrauen "seiner Gruppe" (Altmann, Schmied, verschiedener Art Club-Leute) zu entziehen.

Im Art Club sind Gerüchte um mich gegangen, so zum Beispiel, daß ich zum Friedens-kongreß delegiert worden bin (!).

Artmann machte mir den Kopf voll, daß ich viel bekannter sei als ich annehme, und daß ich daher für jeden Schritt, den ich vor der Öffentlichkeit tue, große Verantwortung trage (!).

All dieser Sturm erhebt sich meines Verbrechens wegen, daß ich die Napalmbombe verabscheue und die Markierung von Koreanerinnen durch erhitzte Bügeleisen.

Artmann blieb bis 21 Uhr. erEr erzählte von großen Plänen, uns "im ganzen deutschen Sprachgebiet durchzusetzen", von einem Hörspiel-Studio, das er leite, vom Beispiel des Wieland Schmied, der heute schon durch Geschick-lichkeit Chefredakteur des "Morgen" sei und dadurch eine wichtige Stelle in die Hand der modernen Literatur gebracht hat.

Diese kriegerische Form ohne Inhalt ...

Fr, 2 Jan 53:

Die letzten Vorfälle haben gezeigt: die Hysterie, die drüben zur Gründung des Komitees gegen antiamerikanische Tätigkeit geführt hat, ist nun in Österreichs intellektuelle Kreise eingebrochen.

Mit viel Freude im neuen Büro gearbeitet. Herr Wagner, unser neuer Kollege, trat seinen Dienst an. Erstmals in der "Gefolgschafts-Küche" gegessen.

Ich kaufte mir einen "Liliput-Kugelschreiber", so dünn und zart wie ein kürzerer Bleistift.

Abends flatterte ein Brief Weigels auf meinen Tisch, in dem er mir sagte, er sei besorgt über meine "Zuwendung zum Kommunismus" .....

Sa, 3 Jan 53:

Heute wieder viel Arbeit im Büro.

Früh Schnee.

Ich überlegte meine jetzige Situation.

So, 4 Jan:

Schnee. Vm. bei Pol. Nur Maja dort. Wir sprachen etwa eine Stunde lang. Sie ist erst vor wenigen Tagen aus dem Spital entlassen worden.

Kein war da. Wir haben drei Stunden politisiert. Brief an Weigel geschrieben.

Ich bin zu längeren Notizen zu faul. Abends Wein.

Mo, 5 Jan:

Arbeit. Ärger im Büro zwischen den Kollegen.

Abends spät, froh über den morgigen Feiertag, heim.

Di, 6 Jan:

Schnee. An der "Bändchen"-Auswahl weitergearbeitet. Dann versucht, an den Kurzgeschichten aus der Reihe der "Begeg-nungen" etwas zu verbessern. Dann schrieb ich nur an den literarischen Notizen etwas weiter.

Tante war da. Sie er-zählte noch einmal vom Büroärger.

Abends rettete ich noch eine von den Skizzen.

Gemütlicher Abend, gut gegessen, noch einiges aufgeschrieben, später als sonst niedergelegt.

1

Ich träumte, daß ich die Innere Stadt nachts nach Hurengässchen absuchte.

6 1 53 früh
Rückseite des Notizzettels
1/2

Ich träumte, daß gegenüber unserem Fenster, etwas hinter der Haltestelle, x wo in Wirklichkeit nur die Bäume des Parks stehen, eine be-leuchtete Konditorei lag.

Ich hatte Sehnsucht, mit dem Feldstecher in ihre Fenster zu sehen. Man schloß die Konditorei aber um 6 Uhr abends, und ich mußte auf morgen warten.

Rückseite des Notizzettels 2

Briggi hatte auf meinem Zimmer einen sehr langen Lippenstift vergessen.

Ich fuhr in einem Autobus, auf der Platt-form. Der Schaffner spielte ein Theater-stück von Karl Kraus mit hoher Intelligenz, scharfer Satirik und bewegtester Mimik, anscheinend allein.

5 1 53 früh
Rückseite des Notizzettels
33
Häufige Träume:

Stadtbahn-, seltener Bahn-fahrten, in weit ent-legene Gegenden.

Panoramen. Sichtbarkeit von Häusern, Straßen, Einzelmenschen in der Stadt von weit entfernten Punkten der Vorstadt aus. Auch konnte man über weite Gebiete, hinweg, über Straßenzüge, Stadtteile hinweg, mit-einander sprechen.

(6 1 53 abends notiert)
Rückseite des Notizzettels

Vorgestern bei Polakovics ließ ich mir die Einsendungen von Brigitte Kahr zeigen. Es istsind dies die Übersetzung eines französischen Eluard-Nachahmers und eine von ihr selbst verfaßte "surrealistische" Litanei im Stile Eluards.; Es jeners soziale Alibi für den erotischen Individua-lismus. "Ich lieg in deinen Armen", aber "in der ich denk dabei an den schlechtbezahlten Fabrikarbeiter".

6 1 53
Rückseite des Notizzettels
Zeitschriftenausschnitt zum Film "Illusion in Moll" mit Hildegard Knef Das Mädchen auf dieser Aufnahme ähnelt unglaublich Briggi. Rückseite des Zeitungsartikels
Mi 7 Jan 53:

Ich träumte davon, daß ich mit einem Mädchen zusammen-lebte.

Weiters: Kleinheits-Träume nach Adler: Ich bekam von Herrn Jerich aus Trieste zwei Trittroller zum Geschenk. Ich mußte Schuhe der Größe 34 probieren. Als mir diese nicht paßten, maß man mir Rohscheiben an (!).

Ich holte nachts Teigware von der Lerchenfelderstraße und lernte, Schnitzel in Schwefel auszubacken, wodurch sie sehr leicht knusprig wurden.

Letztes Heft der "Neuen Wege" gestern bekommen.

Fischer erste "Neuerwerbung" seit Jahren. (Ismene .....) "Rechenschieber" herzig. Ich las mit Vergnügen in diesem Heft.

Mo 2, 2:

Abends großer Schneefall. 47-er war gestört.

sSeit Wagners Zeiten Mmein Eerster Arbeitstag für Machwitz und Witzmann.

Früh und abends konnte ich daheim für mich eine Kleinigkeit arbeiten.

Do 8 1:

Früh Matrizen gekauft und in der Inneren Stadt spaziert. Buchhandlungen angeschaut.

Bekam im Laufe des Nachmittags Beinhautentzündung. Gesicht schwoll beängstigend an.

Verspätetes Weihnachtspaket von Jerich aus Triest. Susi hat geheiratet.

Nacht voller Zahnschmerzen.

Fr 9 1:

Mit eingepacktem Gesicht früh umsonst zum Zahnarzt. /Er ordiniert heute erst nachmittags./

Ins Büro. Es war kalt und nass draussen. Gearbeitet. Zu Mittag nur noch still gesessen.

Nach Mittag zum Zahnarzt. Trotz der Schwellung zwei Wurzeln gezogen, sehr schmerzhaft und blutig.

Heimgefahren und sogleich ins Bett gelegt.

Sa 10 1:

Immer noch geschwollen. Den Tag im Bett verbracht.

Nachmittag kam Tante. Ich bekam Wermuthwein. Sehr freundlicher Nachmittag.

So 11 1:

Im Bett geblieben. Fühlte mich besser.

Vormittags kam unerwartet Kein:

Brachte Gedichtbändchen zurück, schlug einige Streichungen vor. Ich stimmte teilweise zu und stellte das Bändchen danach, anscheinend endgültig, zusammen.

Kein hat ein gutes Gedicht gegen den Krieg geschrieben.

Nachmittag im Wilhelm-Busch-Buch gelesen.

"Die Bienen" sind eine reizende Bildergeschichte, und sie verlieren ihren Reiz nicht, mit der Kindheit des Lesers.

Mo 12 1:

Bisher nichts geschrieben. Blieb noch den Vormittag im Bett, las wieder Stefan Zweig.

Nachmittag hielt ich mich in der Wohnung auf und machte ein paar Ordnungen.

Viel Stefan Zweig vorgelesen. Über das fehlende Wiener Kulturleben nachgedacht und geplaudert, oder (besser:) über das fehlende Künstler-Treiben und die fehlende Künstler-Geselligkeit.

Ich war noch zu verschiedenen Gedanken angeregt, bevor ich einschlief.

Träumte, daß ich zur beleuchteten Stadt wollte (im Wachzustand hatte ich davon gesprochen, daß dort nichts los ist). Mußte einen endlosen Weg zwischen Fabriken und Gemeindebauten gehen, kam aber nicht in die Stadt, sondern zu einem Abhang, der mit Wiese bewachsen war und lebensgefährlich steil in die Tiefe führte.

Di 13 1:

Erster Bürotag. Abends zu Fritsch. Zeitigeres Abend-Ende. (Die Mutter der jungen Frau Fritsch war auf dem Glatteis gefallen und Fritsch fuhr sie noch abends besuchen, obwohl die junge Frau ihn davon abredete.)

Mi 14 1:

Im Büro Arbeit und Ärger mit Witzmann. Ich werde "Arbeit in drückender Atmosphäre" nur noch durch die Formel A im Tagebuch eintragen, um Wieder-holungen zu sparen.

Abends Golser Wein getrunken, der mich noch zu benebeln vermochte, im Gegensatz zum Schrattenberger.

Gschnasfest begann.

"Geschnasfest-Fahne" wurde gehißt 15 1 53 Kl Vol Rückseite des Zeitungsartikels
Do 15 1:

Im Laufe dieser Woche mußte ich die ganze Arbeit für die "publi-kationen" nachholen. 6 Matrizen heute mittags geschrieben.

A

Hoher Schnee all die letzten Tage.

Helmuth de Haas ant-wortete mir, hinter Intellektualität verschanzt, leicht wohlwollend.

Fr 16 1:

Fertig matriziert.

Sa 17 1:

Nachmittag nur geplaudert. Bald werde ich das "Bändchen", das nun fertig ist, umher-zuschicken anfangen.

So 18 1:

Bierhäuselberg, Zeitung fertig abgezogen. Sonst nichts vom Sonntag gehabt.

Mo 19 1:

Früh Idee zu einem Gedicht; es blieb aber bei einem Fragment. Nachmittags fiel endlos Schnee.

Abends Post von Wittkopf, wenig angeregter Brief.

Di 20 1:

Herrlich tiefer Schnee, Morgenbeginn: Sehnsucht nach Farbphotographie. Grüner Himmel, hellgelb scheinte die Sonne.

Früh Schik-Karli getroffen.

Nachmittags viel Arbeit im Büro, konnte aber aufarbeiten.

Abends zu Polakovics'. Maja war dort, ich holte nur das Umschlagpapier für die "publ." ab. Polakovics selbst traf ich nicht.

Mi 21 1:

Im Büro weniger zu tun.

Früh unwahrscheinliches Rosa im Schnee, wenn die Morgensonne

Die Morgensonne fällt scheint unwahrscheinlich rosa auf den Schnee

Die Morgensonne erzeugt auf dem Schnee ein unwahrscheinliches Rosa.

Das Sonnenlicht fiel morgens auf den Schnee in einem unwahrschein-lichen Rosa.

Abends gestörte Straßen-bahnfahrt.

Gestern abends sprachen wir vom Krieg. Krieg ist so etwas Scheußliches. Ich möchte lieber jung sterben als alt in den Krieg geraten, oder in die Folter.

Do 22 1:

Dieser Tage: Frost um -10°.

Im Büro wenig zu tun. De Haas eine Karte geschrieben.

Daheim war der Rauch-fangkehrer gewesen.

Post von Jandl (kurzer Brief und unangeregte Gedichte). England muß fürchterlich fad sein.

Fr 23 1:

Wieder Wochenende.

Wie die Zeit vergeht. Obwohl ich weiß, in welcher Art ich weiter schreiben würde, wenn ich noch schreiben sollte, verliere ich täglich mehr vom Mut, zu schreiben. Alles bleibtwas ich anfange, muß nach 5 Minuten unterbrochen werden, da ich wochen-tags keine größeren Reserven an Freizeit habe, und sonntags ist fürs Schreiben "wertlose" Zeit, da sitze ich wie ein Schüler vor dem leeren Heft, schwunglos, hier liegt das verödete Rhodos, und ich unterlasse es, zu springen.

Herr Wagner, der seit vierzehn Tagen etwa bei uns angestellt ist, eigentlich als Kaufmann und mindestens als englischer Korrespondent, von den Herren aber gemieden wird und daher nur für einige diktierte englische Briefe und im übrigen für Fakturen-Rechnen und -Schreiben herhalten muss, freut sich auf den kommenden Monat, zu dessen Anfang er, wie er sagt, zum Chef gehen will, um eine seiner kaufmännischen Schulung angemessenere Stellung in der Firma zu bekommen.

Das sind seine Hoffnungen; wir aber wissen, dass er in sieben Tagen gekündigt werden wird.

Sa 24 1 53

Im Büro wieder einige Arbeits-pausen. Täglich gibt es zwischen den Angestellten einen oder mehrere Krachs.

Abends nasses Wetter in der Stadt.

Sa 24 1:

Wieder wenig Arbeit.

Richteten die Wohnung nachmittags auf Fasching her.

Abends einen langen Brief an Jandl geschrieben.

So 25 1:

Vormittags Kein.

"publ."-Arbeit und angeregte Gespräche.

Nachmittags vergebens versucht, die zwei "Kurzgeschichten" zu reparieren.

Das Wienerische Radio-programm in RWR, dem ich dummer-weise zugehört hatte, tötete meine halbwegs guten Gedanken ab.

Abends viel Bier.

Mo 26 1:

Frost.

Ich kaufte uns 1/4 kg Paranüsse, deren Geschmack wir abends zum erstenmal seit der slovakischen Zeit wieder schmeckten.

Di 27 1:

Huber hat ihre Katze töten lassen. (Hubers Mutter hatte in letzter Zeit "keinen Spaß mehr an dem Tier gehabt" und aus reiner Überdrüssig-keit erklärt, daß es wegmuß. Huber hat sich nicht bemüht, jemand zu finden, bei dem die Katze in guten Händen sein würde; mir hat sie gesagt: "Wenn sie nicht mehr bei mir sein kann, ist es am besten, sie kriegt eine schmerzlose Injektion.")

Frost.Im Büro wieder wenig zu tun.

Nach den lustigen 100-Schilling-Scheinen soll es nunseit heute auch Münzen der "Volksopposition" geben, die den echten Münzen ähnlichsehen. Der Ärger in den Zeitungen wird morgen unbeschreiblich sein.

Mi 28 1:

Föhn.

Früh Briggi und Schik-Karli getroffen."publikationen" denen übergeben.

Man möchte daheimbleiben können und etwas arbeiten.

Krise in meinen kleinen "m". Sie ähneln momentan den "Minderwertigkeits-m" (m, immer nach rechts kleiner werdende Spitzen) und sind doch nur eine Folge der zeitlichen Gehetzt-heit.

Im Büro vormittags wenig Arbeit. Konnte einen Brief an Wittkopf schreiben.

Nachmittags mehr zu tun.

Der Föhn erreicht große hohe Windstärken. Meine Pullmankappe flog mir fast vom Kopf.

Do, 29.1.

Gestern Abend erreichte der Föhn 122 Stunden-kilometer. Früh ließ er nicht nach. Ich fuhr, vom Wind sehr angeregt, in die Stadt.

Viel Arbeit auf einmal im Büro.

Man merkt die letzten Tage, wie hell schon die Abende sind.

Föhn und "Hundstage" sind meine schönsten Zeiten.

Fr, 30.1.

Freute mich auf den morgigen Nachmittag bei Polakovics, und genoß den ersten (windstillen) Vorfrühlingstag.

Bei der Tür eines Radio-bastlergeschäftes sah der Besitzer heraus. Ich stellte mir vor, wie er einem Knaben beim Einkauf von Bastlerware rät.

Stimmung zu einem Gang durch verschiedenste Gassen und zur Beobachtung der Menschen im Vor-frühling.

Zum Teil wenig, zum Teil wieder viel Arbeit im Büro. Schererei mit Napoli.

Am meisten graust mir vor Ungenauigkeiten.

Wagner wurde entlassen. Die Chefs waren sehr feig.

Daheim gab es ein gutes Essen und Wein.

Sa, 31 1:

-2°.

Schik Karli getroffen. Letzte "publikationen" sind im Institut wieder diskutiert worden. Wir plauderten über verschiedenes, ganz angeregt.

Im Bürozimmer heute allein. (Da Wagner fort ist und Tante ihren freien Tag hat.)

(29)

Fil. brachte jedem von uns eine Anzahl Blutorangen.

Mittags herrliches Vorfrühlings-wetter. Nachmittag brachte aber wieder Abkühlung und Abend Regen.

16h zu Pol.

Mit denen zu Hakel. Dabatschek, Amanshauser, Kaufmann kennengelernt. Angeregt, religiöses Gespräch .....

24h heim.

Sa, 1 2:

Adamsgasse.

Kühleres Wetter, leider.

Sah schöne Aktphotos an. Auch geschrieben (Katzengeschichte x) zum mindestens dritten Mal ver-sucht, Notizen über Gespräche der letzten Zeit.)

Hoher Schnee.

Ich traf erstmals seit den Feiertagen wieder Briggi. Wir erzählten einander viel.

Erster Bürotag in Machwitz-"Vertretung". Viel Arbeit, dennoch abends keine Rückstände.

Bis 19h im Büro.

Frau Hegy kam (Telephonistin), sie übernimmt jetzt auch die Postwege, sodaß Bauer nunmehr frei geworden ist davon; und er fühlt sich glücklich.