Tagebuch von Andreas Okopenko, 13.04.1951-24.05.1951 - Digitale Edition Okopenko Andreas TezarekLaura HerberthArno HebenstreitDesiree EnglerthHolger Digitalisierung HebenstreitDesiree Transkription HebenstreitDesiree Formale Codierung HebenstreitDesiree Semantische Codierung HebenstreitDesiree Stellenkommentar HebenstreitDesiree Korrektur EnglerthHolger HerberthArno TezarekLaura Transkription Stenographie Österreichischer Verband für Stenografie und Textverarbeitung Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung FWF P 28344 Einzelprojekte InnerhoferRoland Version 2.0 Austrian National Library
Josefsplatz 1 1015 Vienna Austria
Vienna 21.11.2019

Distributed under the Creative Commons Attribution-NonCommercial-ShareAlike 4.0 International (CC BY-NC-SA 4.0)

o:oko.tb-19510413-19510524
Vienna Austrian National Library Literary Archive 399/W152/2 AC14414162 Z148513701 Papier 64 Blatt Korrespondenzen Andreas Okopenko - Hilde Schinko. Von Andreas Okopenko mit Schreibmaschine geschriebener Text. Von Andreas Okopenko mit der Hand geschriebener Text. Von Andreas Okopenko in Stenografie geschriebener Text. Von Hilde Schinko mit der Hand geschriebener Text.
HiLDE SCHiNKO 2. Korrespondenzwelle
Wien, 13. April 1951.

Ich habe eben beim Heimkommen Ihre Sendung erhalten, ich danke Ihnen sehr und ich wundere mich gar nicht über Ihren nicht einmal so zarten Rippenstoß.

Es ist nur natürlich, daß Sie von meinem Verhalten sich befrem-det fühlen, wir wollen hoffen, daß in Europa und auch anderswo nicht allzuviele solcher mißhelliger Fälle auftauchen, aber mit Entschuldigungen kann ich nicht aufwarten. Ich kann Ihnen nur erklären.

Und auch das ist nicht ganz leicht. Anfan g en muß ich damit, daß sich seit damals im Winter, seit meinem Besuch bei Ihnen im Grillparzersaal, nichts geändert hat. Es war entschieden zu früh, daß ich mich entschlossen zu habe, es zu tun. Sehen Sie, dieses eine Mal hat mir soviel Mut genom-men, daß ich mich immer erst überreden muß, etwas zu schreiben anzufangen. Was daran schuld ist? Das kann ich Ihnen sagen. Nicht Sie und nicht einer oder der andere, sondern Ihre damals so offensichtlich gewordene (ist) Überlegen-heit, die vielleicht nur Routine und Technik, aber immerhin vorhanden ist.

Es wäre eigentlich nicht nötig, aber jedenfalls ist es so gekommen, ich wurde immer von irgendetwas komischen Innerlichen abgehalten, sogar in die "Neuen Wege" zu sehen, ich hatte leise Angst, Ihre Briefe zu öffnen und noch mehr, sie zu beantworten. Ich war so abgesperrt von Ihnen, von Ihren Gedichten und sogar von meinen, und ich hatte so wenig Mut, dieses Stadium zu überwinden, daß ich sogar eine solche Unhöflichkeit begehen konnte, Ihre Briefe nicht zu beantworten.

Und wenn ich ehrlich bin, muß ich sagen, daß ich diesen Zu-stand noch nicht ganz überwunden habe. Woraus dieser Zustand eigent-lich besteht? Aus zu hoch Hinauf-steigen und zu tief Herunterfallen, wissen Sie.

So kommt es, daß ich, obwohl ich es sehr gerne tun würde, nichts habe, was sich für Ihre Ausgabe eignen würde. Sie sehen, ich bin we-sentlich strenger mit mir geworden. Ich schicke Ihnen nicht mehr jeden Erguß in die Hände.

Es ist ja wahr. Gearbeitet hab' ich noch nie. Das war alles nur Spielerei. Und jetzt brauch' ich Zeit.

Vielleicht wollen Sie mir schreiben, wie lange ich Zeit haben würde. Ich meine, wann Sie die Sachen brauchen würden.

Aber in Ihre Abende, glaube ich, ist es besser, wenn ich nicht komme. Um meines Selbstbewußtseins willen. Nein, nur vorläufig. Bis ich wirk-lich sehe, es ist nicht alles um-sonst. Ist es Ihnen recht?

Und bitte schreiben Sie mir, was Sie meinen und den Zeitpunkt, den Zeitpunkt.

Dann möchte ich Ihnen nochmals für das Heft danken, ich werde es sehr genau durchlesen, und ich danke Ihnen auch dafür, daß Sie mich nicht schon längst als verlo-renes Schäflein verworfen haben.

Ich bin neugierig, was Sie mir zu sagen haben. Eigentlich seltsam, wieviel ich auf Sie und auf Ihr Urteil halte.

H. Schinko.

Herrn Andreas Okopenko, Wien 14, Baumgartnerhöhe Geb. 1

H. Schinko, Wien - Oberlaa, Rustenfeld 1/162.

gek. 16 4 51
Abschrift. Wien 19 4 51

Liebes, liebes Fräulein Schinko,

wie experimentieren Sie in die ohnehin Einsamkeit hinein. Was tun Sie da, halb traurig halb stolz, Sie geben sich auf, Ihre Gefühle, mich, uns - Sie verwerfen und wollen dabei die Genugtuung, verworfen zu sein.

Wie hart urteilen Sie uns ab, "Techniker”, "Routinier s " - sind die Jahre, in denen wir reden wollten und nur bellten, nichts? Sind wir also nur noch kalte Ingenieure, und sollte die Jugend und was wir da wollten, vergessen sein?

Sie haben sich die Freude gemacht, die Trennungslinie zu ziehen: bei Ihnen das Gefühl, bei uns die "Routine" und die "Technik". Das ist einfach, aber das kann nicht so festgehalten bleiben.

Liebes Fräulein Schinko, wissen Sie, wie wir dachten, als Sie uns so ein für allemal verließen? Ich kann nur, was ich annehmen mußte, sagen: "Fräulein Schinko ist enttäuscht, wir sind offenbar zu grün und sie hat sich gesellschaftlich erfahrene (gerissene) Großstadtliteraten erwartet."

Sie selbst machten ja einen recht großstädtischen Eindruck, im Gegensatz zu uns meist auch innerlich Vorstädtern. Ich merkte so wenig an diesem Abend von Ihrer Innigkeit und der Bereitschaft, mit jungen unerfahrenen Leuten überhaupt zu reden - so kam's mir vor. Daß wir die turmhoch Prominenten sein sollten, schwante uns nicht.

So auch faßte ich Ihr Schweigen auf (Sie können sich vorstellen, daß das einen nicht zuviel von Freunden Umhegten kaum froh stimmen konnte). Nun möchte ich Sie festhalten, wenn ich nur wüßte, wie innig Sie sind.

Sie arbeiten jetzt an sich. Ist das aber ein Nachteil? Polakovics schweigt ein Jahr schon, Kein ein halbes, ich experimentiere nur, und alle mitsammen sind wir klein. Freilich nicht gegen Hans Nüchtern, aber gegen Eliot, gegen Eluard und so gegen dem, was in uns wäre.

Sie arbeiten an sich. Das wäre ein Nachteil, wenn Sie nun Künstlerin werden wollten, und Ziersätze machen. Wir müssen nämlich hinausheulen.

Schreiben Sie mir von sich und schicken Sie mir Gedichte, auch solche, die Sie nicht in die "publikationen" geben möchten.

Ich grüße Sie, liebe Hilde Schinko, nach wie vor,

herzlichst Ihr

(Andreas Okopenko)

Baumgartner Höhe 1 Wien 14

Herrn Andreas Okopenko, Wien 14, Baumgartnerhöhe 1.

H. Schinko, Wien - Oberlaa, Rustenfeld 1/162.

gek. 28 4 51
22. April 1951.

Ich glaube, daß sie, damit meine ich diese Briefe, hauptsächlich deshalb so wenig warm zu spüren sind, weil die Wärme schon am Kopf des Blattes, in der An-rede, zu beginnt und weil diese Anrede in meinen Briefen fehlt.

Wenn wir östlicher Herkunft und Gesinnung wären oder inner-halb einer Parteilichkeit lebten, würde ich Sie Genosse nennen können, a ls von Nero oder einem anderen Verfolger Bedrängte Bruder, oder als Wanderer in der Wüste Blutsbrüder, meinetwegen.

Aber wie soll einer den andern nennen in dieser Zeit, die keine Rettungslosigkeit aus körperlichen Gefahren hat, keine Weglosigkeit im Sand, aber eine große Verlassenheit des Menschen hat? Wenn er ihm von Augen aus fremd ist, aber dieselbe Sprache und dieselben Jahre hat? Vielleicht dieselbe Angst und dieselbe Hoffnung?

Sehen Sie, darum fehlt meinen Briefen die Anrede und ich lasse Sie ohne Überbrückung in den Inhalt hineinstürzen.

Was die Wärme oder die Innigkeit oder die Seele, das Gewicht oder wie Sie es sonst nennen wollen, betrifft, so sollen Sie wissen, daß ich nur darauf gewartet habe, Sie das Tor aufschließen zu sehen.

In diesem Brief haben Sie es getan. Wenn ich nicht fürchtete, pathetisch zu werden, würde ich sagen, Ihr Brief hat mich end-gültig aufgeweckt.

Auch ich weiß, wohin ich gehöre. Ich hab' nur gefürchtet, verschlossene Türen und geschlossene Augen zu finden, ich hab' nur Angst gehabt, den falschen Weg zu gefunden zu haben oder am rechten Weg hinten zu bleiben.

Was Sie aus meinem letzten Brief herausgelesen haben, war ein Stück Ich, und ich will fortsetzen, Sie lesen zu lassen.

Etwas haben Sie falsch verstanden. Den Kreis mit der Routine, der Ihrer sein soll, und meinen, in dem das Gefühl Wellen schlagen soll.

Das hab' ich ganz anders gemeint. Die Technik hab' ich nicht in den Inhalt Ihrer Werktätigkeit, also in Gedichte und Vorträge, einbezogen, sondern ich wollte sagen, Routine zeigen Sie in der Beurteilung und Abstrafung der eingelaufenen Sendungen. Sehen Sie, weil ich es nicht kann: einfach ja oder nein sagen zu etwas, was sich jemand - vielleicht - aus dem Her-zen gesaugt hat, was ihm aber in den Zähnen stecken blieb. Das meinte ich mit Technik und Routine, die Sie haben sollten. Und Sie kennen so viel, was ich nie gehört habe. Dieser Russe damals, den Ihnen mein Nach-bar geliehen hat, jetzt: Hans Nüchtern, Eliot und selbst Eluard oder - kenne ich nicht. Sie wer-den noch viel tun müssen, wenn Sie mich einigermaßen heran ziehen heranziehen wollen. Daß Sie das tun, darum bitte ich Sie. Ich falle zu leicht ab, wenn das so weitergeht.

Und nun zu "Euch Vorstädtern" und mir "Großstadtmenschen". Daß Sie das sagen, zeigt nur, daß Sie mich nicht kennen, und das hoffe ich ändern zu können. Ich bin nicht weniger als einer von denen, die nichts als Straßen überqueren, ohne die Ver-kehrsregeln zu beachten, oder die sich lieber die Ohren zuhalten, als zu hören, tags für I i hr Leben Geld verdienen und nachts für ihr Geld leben. Nein, nein.

Wenn ich ein Alltagsgesicht zeige, dann deshalb, weil ich nicht in mich hineinsehen lassen will - von Fremden nicht. Dabei möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, daß ich Ihnen jetzt ganz freie Sicht in mich lasse, daß ich Ihnen alle Fragen beantworten will, die Sie stellen, daß Sie mir also nicht fremd sind.

Ich will nicht mit den Wölfen heulen, aber auf der Straße trage ich das Gesicht der Straße. Tun Sie es nicht! Was erreichen Sie? Kopfschütteln und Mitleid. Denn die Straße gehört nicht den M ei stern, sondern den Zwillingen: ein Ei wie das andere. Den Ruf nicht für die Wüste, sondern für die Menschen. Das hat es mit meiner Großstädtisch-keit für sich. Außerdem wissen Sie, wo ich wohne.

Vielleicht können Sie das auch irgendwie den andern sagen. Es ist mir sehr peinlich, so falsch gewirkt zu haben. Sie haben mich gründlich verkannt; weil S ie mich nicht kennen, ich weiß.

Daß mein Verhalten Sie am stärksten und nachteiligsten be-eindruckt hat, weiß ich. Mehr oder auf anderes gewartet habe ich nicht, ich kannte ja ihre Schreib-art und vieles von Ihren Gedichten. Ich bitte Sie, das mit der "groß-städtischen Gerissenheit" und "gesell-schaftlichen Erfahrenheit" fallen zu lassen, wenn es nicht zu traurig wäre, wollte ich fast darüber lachen. Ich bin doch aus einer Arbeiter-familie! Ich bin genau so klein und unerfahren wie jeder und jede andere. Ich - was soll ich Ihnen sagen. Sie müssen es sehen. Aber glauben Sie das nicht mehr!

Meine Stimme wird Ihnen nie widersprechen, weil sie aus der-selben Höhe oder Tiefe kommt wie Ihre. Wenn Sie mich brauchen, wenn Sie allein sind, ich werde immer da sein. Wenn wir uns alle in einen Kreis stellen wollen, dann ist es weniger unsere Aufgabe, weiter-zuempfehlen, sondern die Hände aus den Taschen hervorzuholen. Ja?

Wissen Sie, was mir eingefallen ist? Den "Neuen Wegen" könnte ein Briefwechsel zwischen jungen Menschen, womöglich auch zwischen den Autoren, ja, zwischen den Autoren selber, gar nicht abschlä-gig sein! Vielleicht ließe sich da-durch erreichen, wozu Gedichte und Prosa bisher noch wenig im-stande waren: die Probleme nicht der Gedichte, sondern der - sagen wir - Dichter zu Gehör zu bringen! Ein Brief von dem zu dem, von diesem zurück zum andern! Ein Brieffreund zwischen zweien, die dieselben Sorgen und Wünsche haben! Und die auf diese Art auch die andern, die über der Arena, die in den Logen, die, die nicht Teil haben, hören würden. Denken Sie einmal dar-rüber nach. Der Grund müßte Wirklichkeit sein. Ich glaube, es würde gehen.

Aber bitte, nicht falsch verstehen. Ich tue es nicht, um für mich ein Wirkungsfeld zu finden.

Aber Sie haben vergessen, mir zu schreiben, bis wann Sie die Sachen brauchen!

Und wenn Sie es gerne tun, dann lassen Sie nächstes Mal das "Schinko" weg und schrei-ben s S ie nur meinen Vornamen. Ich danke Ihnen noch ein-mal,

Hilde Schinko.

Bitte seien Sie ganz ehrlich über diese Sachen. Veröffentlichen Sie es nicht "auf jeden Fall."

Wollen Sie mir näheres über die Publikationen schreiben?

Heute hab' ich nicht mehr. Im nächsten Brief, ja?

Nein, es geht doch nicht. Bitte haben Sie Geduld. Ich kann Ihnen noch nichts schicken, es ist nichts.

Wien, 2 8 9 4 51

Liebe Hilde,

denn froh komme ich dem nach, so Ihr so zu schreiben. (Nochmals: liebe Hilde, um den Klang recht bald vertraut zu machen.) Nennen Sie das wie Sie wollen alles - nur

Mich hat Ihr Brief erreicht . , u nd Sie - die ich geheim nie ferne geglaubt habe - und Sie haben mich mit erreicht sind mir nun, auch gesagt, nahe. Ich bin irgendwie erneut seither. Was ich mir gewünscht habe - unverklausu unverniedlichte Rede m vom Mädchen zum Kn aben - ist d a vielleicht einge-treten, wenn Sie auch, aber hoffentlich weniger der Konvention Betragensregel, die Kühle vorschreibt, zuliebe, als eine m r mir viel lieberen Stolz d F E isigkeit Panzerung des tiefen Menschen.

(wenn Sie auch sehr exakt auf, wie Sie schreiben, "meine Öffnen" warteten und ein bischen bißchen noch darüber hinaus - hoffentlich weniger der Betragensregel zuliebe, die Kühle vorschreibt, wie wenn Tanzstunde ist, als vielmehr einer, ( mir viel lieberen, Eisigkeit des ernsten Menschen, der nicht gleich seine Gefühle vor jeder-einen wirft, der hinterher eventuell wirft werfen will Spötter ist.den ersten besten wirf welche vielleicht Spötter wirft).

2

Was mich etwas traurig machte, damals an dem Wint Abend, ist war Ihr ander s e s als vorgest gedacht gehofft E i r scheinen. Sie kamen wie etwa jede andere Hörerin der (immerhin städtisch gelegenen, wie ich er f uhr.) Schule, und nicht wie eine geschminkt und nicht als das mitbringend, was ich das Mädchen ganz, das ich aus Ihren Gedichten vielleicht entnahm. Nun ist das Betrübliche vorüber, Sie schreiben vom "Alltagsgesicht" und erklären etwas so. Ich möchte (um nicht "weise", sondern mit der Argumentation des unreifen Knaben) etwas ein bis von Ihnen schreiben, was daß mich an einem nicht Sie gerne anderswo als auf Ihrem Standpunkt zum "Straßen-gesicht", wie Sie's nennen, sähe. Freilich braucht man keinen imaginären Lorbeerkranz um die Stirn zu tragen, oder auf die Meinung wie die Pariser Literaten verwegen und verwildert die Leute zu beunruhigen; aber man muß Sachen, die nicht aus der ursprüngliche Merkmale des wirklichen Volkes sind, sondern doch von der Überspanntheit der Minder Bessergestellten kamen, wie die Schminke, abtun können: nicht aus Moralität oder was,

Rechteckige, teils durchgestrichene Klammern mit Zahlen darunter
3 sondern um sich weniger. freilich; aber wenn Sie sich bisherso lange selbst de r Frage eine s Nahestehenden mir ver-schlossen, warum öffnen Sie sich so bereit also den Blicken von recht Fernen, die nicht viel mehr anderes wollen als sich von Ihrem auch einem zubereiteten Gesicht die Illustration zu einer nächtlichen Selbstbefrie-digung herunterzuholen.

Diese Meinung ist will nicht von Ihnen Besitz ergreifen - wo hätte ich zu andere s m Recht, als Ihrer Sie in guten schwachen Überzeugungen zu bestärken.

Freilich spielt da mein P ersönlich es Verlangen Wunsch mit, daß ich Sie auch äußerlich gern möglichst fern weit abseits von Hollywood sehen möchte und möglichst nahe dem Erstmädchen.

Mir ist schade, daß Sie mir

sondern um sich sich weniger den abhängig zu sein. von recht Unangenehm dem Gefallen von Idioten auszusetzen

4 Anrede "Genossen"? A. Eluard Arbeiterfam. publ. IC IC IC

Ich will Ihnen meine bewußt paradoxen Aussprüche von "Großstädtisch-heit" u. " Erfahrenheit", erklären: Leider ist es oft so, daß die das Leben in der Vorstadt nicht die Ursprünglichkeit garantiert, das Leben in der Arbeiterumgebung n icht die Einfachheit und Geradheit der Wünsche (man hat erlebt, daß auch Arbeiter Leute aus solch. Umgebg. , die irgend wo durch kulturell i n m Kultur- oder g G esellschaft s leben hoch ge k amen, ihre Unrecht bis zum Verleugnen ihres Ursprungs getrieben haben). Wie oft ist ein Mädchen aus auch dieser Umgebung so, daß sie sich sehn sehnlich und gierig nach (auch dem " f einen Leben" "Höheren" nachrennt, mindestens der Leinwand. So sehr man ei besseres Lebensbedingungen anstreben soll, so sehr hüte man sich vor de m r Verliebtheit in bürgerliche Degenerations-erscheinungen: Flirt, Luxus und Bequemlichkeit der Gefühle, Fun Nachtleben

Dann

Was die Jugend betrifft, kann das Alter einmal von auch eine 16 j. mehr "erfahren" sein als ein 21 j., der sich (in meinem Fall) - wie ich immer wieder gestehen muß - in Ich bin so ein Knabe Kind in allen Dingen, und meine Angriffe im Gedicht sind nicht Weisheiten, sondern vorlaute bestenfalls Wahrheiten.

5

Mein Glaube ist an die Mission des Unreifen, d as mit möglichst vollendetenin seinen Mitteln Mitteln

die Reife an Ge R r eiftheit übertreffen soll, Ich um um eine Wahrheit , die so wahr zu sein ist wie das letzte lila Greisenalter und dabei so alles so voll alle all dem persönlichste n m i I nteress e ent und aller verzweifelten l L eidenschaftlich der Jugend.

Nun, ich bin voll Freude, daß Sie sich nicht zur dieser Erfahrenheit bekennen, sondern an meiner Seite als Mädchen beim Knaben stehen. Darum meine seit je Anrede "Liebe .......", denn mir sind Sie nicht (wie Sie schrieben) theoretisch Genossin (wenngleich Sie es auch sind), Schwester (vielleicht verfolgt man uns einmal), sondern die liebe Hilde. (Es gibt nämlich Weggenossen vielleicht mehrere, später, aber Sie sollten di e Eine bleiben ), Hilde.)

Wir strafen nicht ab, wie Sie annehmen, in unserem Lektorat., sondern . kennen. Wir urteilen nicht routiniert, sondern nach dem Ge w issen, das es uns unmöglich macht, eine A ab geschriebene Lösung eines noch so menschlichen Problems gut-zuheißen., wo Denn auf der einen Seite ist die Abschrift auch leer möglich mit dem unerlebten Problem, gestohlen, drin - auf der anderen weinen Leute an der Bewältigung, unzufrieden, die viel weiter sind. Auf Grund des Na unbekannten Namens oder des Alters urteilten wir niemand ab, nur auf Grund des Falschen oder de s r brüchigen- schwachen bruchteiligen Leistung, die - gefördert - zu Bequemlichkeit und einem rascheren Erstarren führte, als wir es es uns ohnehin beschieden ist.

Wenn Sie einmal Gelegenheit haben und Eliot lesen können oder Eluard, wird es Sie gewiß freuen. Sonst, im übrigendenke ich gar nicht daran, Ihnen, wie Sie leicht wehmütig schreiben, "fehlende" Bildung", ohne die Sie "abfallen würden" zu schnell", zuzuführen. Ich will mich nicht als Ihr Pädagoge aufspielen tun . , schreiben Sie lieber *) - ohne "Erziehung" - selber, und fern den Mätzchen, und lassen Sie Ihr Gefühl - und meines - sprechen, unbestechlich aber nicht voreingenommen gegen sich.

Schicken Sie mir bitte, was Sie geschrieben haben, ob Sie es nun für die "publ." vorschlagen oder nicht (Material zu denen brauche ich immer; für Nr. 2 bis Mitte Mai Einsende s z eit.) Ich warte aber immer auf Sie.) Auch ich lasse Sie einiges aus meinen - den problematischesten Sachen - lesen, dort, wo ich glaube, daß die lebende Entschei Entscheidung verläuft.

Den Briefwechsel zu veröffentlichen, erscheint mir ungut. Viel zu leicht kommt es bei sowas zur Gefahr de r s Schielens zum Publikum, zur Verliebtheit in die Phrase oder das Extrem. Wir gehören schließlich in unserer ganzen Arbeit dem Volk , : g G ehören wir in unseren Fragmenten und Tageb u chblättern auch - spätereinmal - den Anteilnehmen d en, jetzt und in den Briefen gehören wir doch einmal nur einander! Schreiben wir lieber so, was unsere Probleme sind, ehrlich wie im Brief, aber gesondert und allgemeiner-giltig, und setzen das f ür die Außenwelt.

Dafür bin ich schon.

A ber sollen die vielen sehr abseits wisse lesen, daß ich Sie so gern als meine liebe Hilde sehe? - m M an weiß auch nicht, wohin d ie Briefe noch führ en - - -

Notiz: Das Gedicht "Wieder nicht" in jener (Ihrer) Winternacht entstanden. Die Straßenbahnen fuhren - Sie müssen wissen, ich war das erste Mal Winternacht am Opernring und rannte dann in die Redaktion zurück; nachher fand man, ich sei wie ertrunken. (Ernst Kein; meist er hat seltsamen im Humor.).

Ich wundere mich jeden Tag mehr. Soviel will uns zustoßen, soviel - rasch geendet, ich grüße Sie

herzlichst

Ihr

AOk

Andreas Ok.

(Ich lege doch nichts bei. Das wäre irgendwie peinlich.)

11. Mai 1951.

Nochmals die Anrede vor dem Inhalt: (aber nicht eigentlich darum, sondern um die Kühle und Eisigkeit):

Sehen Sie, ich weiß nicht, ob das eine spezielle Eigenschaft Jugendlicher (und daher, wenn man bei der Behauptung bliebe, Warmblütiger) ist, daß sie manchmal gedrängt sind, die Formeln und Bandagen abzu-streifen, die sie als künftige Stützen der Gesellschaft tragen sollten. Eins aber weiß ich: daß es die Warm-herzigen sind, die in ein Paar zwar fremde, aber helle Augen hinein ihre ganze Hoffnung schieben schicken oder die vor einem neuen, aber guten Gesicht das Alltagsgewand ab- und die Sonntagsklei-der anlegen. Es ist nichts als eine Regel der Zucht, die uns verbie t et, in ein fremdes Gesicht einen Gruß oder einen Dank zu sagen. Es ist Ihnen noch nie geschehen? Daß man am liebsten einen bei der Hand nähme und von da fortzöge?

Weil er ein gutes Wort gesagt hat oder weil er jung ist wie wir? Weil er ein Mensch ist? Aber da einer vor der Maske des anderen Angst hat, läßt er es.

Und Masken tragen wir alle. Einer immer, ein anderer im Schmerz, im Zorn, in der Liebe. Denn um uns sind nicht nur Gleiche, sondern auch Spötter. Wie Sie sagen. Und wir irren uns so oft. So oft. Des-halb müssen wir Masken tragen. Da-mit sie nicht in unserem Gesicht, in unseren Zügen, in unseren Augen herumbohren und suchen in dieser rücksichtslosen, wenn nicht sogar schamlosen, Weise.

Deshalb.

Wie haben Sie sich gedacht, daß ich aussehe?

Dann will ich Ihnen sagen, daß Sie jederzeit mein Gesicht erkennen sollen, wie es ist. Und wenn es Worte sind, die von ihm kommen. Lassen Sie sich nicht täuschen. Keiner von uns kann sagen, daß er für die anderen kämpft. Wenn wir für alle reden, reden wir auch für uns, denn wir sind ein Teil dieser Ganzheit.

Aber wenn Sie mit Ihren Briefen zu mir kommen, dann sollen s S ie wissen, daß ich in diesen Zeitteilen nur für Sie und für Ihre Fragen und Sorgen da sein werde. Ich denke nicht an mich, wenn ich mit Ihnen Rede und Antwort wechsle. Ich will Ihnen nur sagen, was ich Ihnen sagen kann, und wenn es geht, helfen. Denn Sie sind mehr allein als irgendeiner. Wenn wir jung sind, sind wir allein. Wenn wir anders sind, sind wir noch mehr einsam. Denn die andern schauen anders aus und reden anders.

Wenn ich auch ein Mädchen bin, oder eben deshalb, getraue ich mich, Ihre Sorgen aufzunehmen und Ihre Hände leichter machen zu können. Es ist nicht das Alter, das die Stimme eines Mädchens weich und ihre Worte achtsam macht, es ist das Maß dieser mütterlichen Zärtlichkeit, die sie schon als Kind an ihre Puppen verteilt. Es ist der Halm, der sooft geschnitten, sooft wieder nachwächst, der - mindestens - Regen der Liebe, mit dem es dem Bru-der, der sich wehgetan hat, immer wieder die Hand streichelt und ihm seinen besten Ball schenkt. Von der Art ist das Entgegenkommen, das Sie von mir erfahren. Ich will für Sie dasein, wenn Sie mich brauchen.

Mich Hollywood-Typen anzu-gleichen habe ich nie im Sinn gehabt, ich würde mich kaum dafür eigen eignen . Übrigens ist die Zahl der diesen Luxuswesen Nach-strebenden geringer, als Sie wahrscheinlich glauben. Ich weiß das. Denn diese Mädchen, die nichts haben als sich und Ih ihren Beruf und vielleicht auch ihren Freund und ihre Sonn-tage, stehen schon zu tief im Grau und in ihren Tretmühlen, als daß sie Hoffnung haben könn t en, in eine Parfum- und Porzellanwelt gehoben zu werden. Das sage ich von der all-gemeinen Arbeiterumgebung. Ausnahme-fälle, in diesem Fall Ehrgeiz nach dieser anderen Welt oder höheren Schichte, oder was Sie eben glauben, daß diese Ausnahmen anstreben, gibt es hier wie es anderswo, auch in der soge-nannten Gesellschaft, Hochstapler und Jägerlateiner gibt.

Sehen Sie, ich habe hier alles vor Augen. Hochwasserkatastrophen, Ehezwistig-keiten unnützigster Art, Tausch von Ehegatten zwischen gegenseitigen Schwägern, Kinderleid, Kinderspiele, ein bißchen Grün, viel Ziegelrot, viel Streit, viel Stimmen, wenig Klang. Eine ganze Welt. Eine ganz offene Welt. Die nicht einmal die Fenster schließt, wenn sie sich schlägt.

Das ist gewisserma ss ß en eine auf-geträufelte Erfahrung, ein äußeres Mittel, keine eigene, aber deshalb nicht weniger starke.

Ich weiß mehr, als Sie vielleicht glauben.

Für Sie aber will ich das sein, was Sie in mir sehen wollen: Ihre liebe Hilde, der Sie immer alles in den Schoß legen können, was Sie an Sorgen haben. Von einer zum andern. Auch, was Sie den andern nicht zeigen wollen. Seien Sie sicher, daß Sie immer bei mir Verständnis finden. Ich würde es als einen Vertrauens-beweis ansehen, wenn Sie Ihr Vor-haben, das Sie voriges Mal fallen lie-ßen, nun doch ausführten. Überle-gen Sie es sich. Ich kann warten.

Mit meinem Beitrag zu den Pu-blikationen aber bitte ich Sie, Geduld zu haben. Führen Sie diese Nummer diesmal ohne mich durch, ja?

Ich kann noch nicht. Ich würde mit leeren Händen dastehen.

Und nun:

Ihre Hilde.

Herrn Andreas Okopenko, Wien, 14, Baumgartnerhöhe 1.

gek. 16 5 51

H. Schinko, Wien - Oberlaa, Rustenfeld 1/162.

Wien 24 5 51.
Zwei gepunktete ovale Formen untereinander

Liebe Hilde,

nach langem

Ihre Sorgsamkeit hat n m icht tief berührt., m M einen Dank dafür, zwei isolierte G egenstände Hilde. Sie wollen meine Gefährtin sein, und Sie sind es schon. Hilde.

(Indes: mich hat beunruhigt, wie Sie schrieben: "Für Sie will ich das sein, was Sie in mir sehen wollen."

Denn ich möchte nicht ein Phantasiebild sondern einen Menschen; der Phantasie bin ich recht abhold. Und wenn Sie in Wirklichkeit nicht "meine liebe Hilde" sein können, schreiben Sie es, und schreiben Sie, was Sie sein können. Ich bin einmal so geboren worden, daß ich keine Betäubung keiner Betäubung in schöne Träume bedarf.

2

Das Herrlichste ist die Realität, und das "elend "ödeste Leben" hat für den, der die so veranlagt ist, unendlich mehr menschlichen Wert, (trotz Verzichtens auch) als illusorische Schonung.

Wenn Sie aber imstande sind, die Realität mit mir zu teilen, soll m das meine S s chönstes Tatsache sein. A Ich will mein Schönstes jedoch nur

Nur quasi etwa a ls lls Sorge um die Gesundheit brauchtsoll man mich einen nicht aus der "Einsamkeit" entreißen nehmen wollen. Man hält,Ich halte, auf leise Art, einiges aus.

3

Wenn es gleichzeitig auch Ihre ist. Wenn ich für Sie dasein kann bin, werde wie Sie für mich. (Einseitig (geschenkt sollte so etwas nicht werden, Menschen kann man nicht schenk t en man nicht, sondern man vertraut sich ihnen an.)

Zeichnung mit runden und ovalen Formen

Wenn es gleichzeitig auch irre ist, wenn ich für Sie da bin wie Sie für mich. Einseitig geschenkt sollte so etwas nicht werden. Man schenkt sich nicht dem Anderen, sondern geht zu ihm hin. Man vertraut sich ihm an. Wenn Sie das können, aus gleicher Gesinnung, aus dem Hindrängen des Blutes, und nicht wie einen Hang zur Puppe oder zum verletzten Waldtier, die doch im Hintergrund ein bisschen Spielzeug sind und eigennützig gepflegt, dann kommen Sie und seien Sie mein Mädchen. Ich darf Ihnen so schreiben, denn Sie gehören nicht jener Schicht an, die diese Worte in ganz anderen Farben sieht, mit Kontakt, gerecht und einer „natürlichen Harmonie“ 4 und „gesitteten“, Luderhaftigkeit gemischt. Die die Wünsche von Mädchen und Burschen zu einem Spiel und gesellschaftlichem Vergnügen gemacht hat, bei dem man freilich auch an Schlauheit, Umgangsformen und Schlechtigkeit für seinen späteren Lebensweg und die Karriere viel lernen könne; was, das Ganze zu einer „Lebensschule“ = praktischen Pädagogik jener bürgerlichen Verworfenheit werden lässt, die am Ende das Leben leergepumpt wie einen schlechten Schlauch zurücklässt.

Jetzt habe ich Ihnen einiges gesagt, womit ich glaube, Ihnen einen „Vertrauensbeweis“ gegeben zu haben (wo ich doch noch nicht weiß, ob Sie bereit sind). Stellen Sie sich doch die Blamage vor

5

Ich glaube nicht, dass es notwendig ist, Sie mit den Sachen, die ich Ihnen ursprünglich zeigen könnte, momentan zu belasten. Die betreffen einmal den literarischen Entwicklungsherggng – Wege, die uns gemeinsam sind oder es werden können – darüber haben wir noch zu wenig gesprochen. Auch wenn Sie nicht in dieser Nummer der „Publikationen“ mitwirken (wie in der Herbstnummer und August, müsste ich das Material haben!) Senden Sie mir Sachen von Ihnen zum Lesen und schreiben Sie, wie es weitergeht. Ja, Sie können einen Anderen hier brauchen. Es ist ja möglich, dass Sie das lieber allein machen, ich bin ja auch nur ein junger Autor und kein oder muss jeder seinen Weg allein gehen? Freilich lieber eine unzugängliche Hilde als eine von einem für sie üblen jungen Autor Fehlgeleitete. Sie haben recht. Wie es kommt, ob ein Weg allein, oder ein gemeinsamer Ich grüße Sie von Herzen

Andreas Ok.

Seither und auf 2 sachliche Briefe (publ. 2. u. "NW") keine Nachricht erhalten.