Tagebuch von Andreas Okopenko, 01.09.1950-30.09.1950 - Digitale Edition Okopenko Andreas TezarekLaura HerberthArno HebenstreitDesiree EnglerthHolger Digitalisierung TezarekLaura Transkription HebenstreitDesiree Formale Codierung HebenstreitDesiree Semantische Codierung HebenstreitDesiree Stellenkommentar HebenstreitDesiree Korrektur HerberthArno EnglerthHolger Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung FWF P 28344 Einzelprojekte InnerhoferRoland version 1.0 Austrian National Library
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Vienna 2018-12-12

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o:oko.tb-19500901-19500930
Vienna Austrian National Library Literary Archive 399/W151/3 AC14414046 Z148513300 Papier 42 Blatt Tagebuch in Form loser Blätter mit Beilagen Von Andreas Okopenko mit Schreibmaschine geschriebener Text. Von Andreas Okopenko mit der Hand geschriebener Text.
Fr, 1 9 50:

Nach dem Konsum den Friedhofweg mit Mama (einkaufen).

Furchtbar heiß. Den Nrestlichen Vor- und den Nachmittag über: viel "Tagebuch neu" geschrieben. Nachmittag wurde es trüb. Es kommt langsam Vorherbstfluidum. (Radio u.a.) Ich schrieb ein längeres surr.-fluid. Gedicht. Abend roter Himmel, häßliche Gespräche.

Sa, 2 9 50:

In der Nacht hatte es geregnet. Etwas kühler, oft auch trüb. Mama ging mit Fini einkaufen, ich in den Konsum, zum Friseur und schrieb dann weiter am Tagebuch. Verständigung von der Wiener Messe kam: Ich werde als Aufseher aufgenommen. Ich mußte gleich hinfahren. Montag trete ich meinen Dienst an.

Nachmittag Reinschrift der "Martini-Gedanken" von gestern.

Dann "Vom Wert der Bildung" (eben so ein Experimentgedicht) geschrieben. Von Fini das Service abgeholt. Amtsrat Pobisch ist eine Storm-Figur. Daheim in der "Furche": ein interessanter Frankl-Artikel. Schweinschnitzel. Meine Grübelei scheint endgültig aus zu sein. "Objektives Korrelat" zu allem Subjektiven beruhigt unendlich. Frankl ist weiter als Sartre. Ich schrieb noch "September-Summation". Eine Reihe ist es also nun neuer experimenteller Gedichte. In angenehmem Zustand mich nieder-gelegt.

So, 3 9 50:

Einstweilen letzter freier Tag. Nach der Kirche zu Polakovics gefahren, erster Besuch seit längerer Zeit. Polakovics tritt morgen sein Probejahr an. Er hat immer noch nichts geschrieben.

Ich habe, glaube ich, die Tomankrise in mir jetzt abgeschlossen.

- Trübes Wetter, immer warm. - Zunächst ausgeruht und geplaudert.

Dann übers Tagebuch gegangen. Den Sonntag sehr lang gemacht.

Eliots Ash-Wednesday gelesen. Gut!!! Der Abend war herrlich. Das Wetter, im beginnenden Vorherbst, kühl, aber ruhig, so schön ...

Mo 4 9 50

7,00 Dienstantritt. In der Betriebsleitung gemeldet, einstweilen in die T-Halle /Möbel/ zugeteilt. Noch ohne Nummer.

Andere Aufseher freundlich. Halle noch leer. Freundlicher Eindruck, Galerie.

Gleich in A5A6, eine kleine Halle /Leder/, gekommen.Entlegen und noch leer.

Um 8,00 kam einmal ein Arbeiter von der gegenüberliegenden Halle und rauchte vor dem Eingang seine Zigarette. Dann kam eine Frau, besah sich die Lage einer Koje und ging wieder. Ich ging im Geist meinen Einige-Gassen-Gang durch und fand, dass er kein Herzausschütten über eine Gelangweiltheit ist, sondern dass selbst die angeführte Langeweile nur als Leere infolge von Lieblosigkeit gedacht ist.

Das wird bewiesen durch ihre dauernde Gegenüber-stellung zu Tiefem.

Die ersten Handwerker zogen ein. Ein Wachmann, ein Portier sprachen mit mir.

Bekam Nummer 13.

Gabelfrühstück, einige Auskünfte, ein Herr beschwerte sich über seine Kojenvorgängerin, die ihre Koje noch nicht abgerissen hatte.

Andere Handwerker kamen.

Herumgelehnt, nichts geschah. 12,30.

Bis 13h draussen gelehnt, dann in den Gefolgschafts-raum unterschreiben und essen gegangen. Greisen-versammlung wie in einem Versorgungsheim.

Bis 13,30.

Dann wieder in A5. Herr Müller sehr freundlich. Die zwei Frauen vom Eck immer noch da.

Nun kamen die ersten zwei Aufgepudelten.

Die vom Eck gingen einstweilen rauchen.

Eine von ihnen, Tapeziererin der Koje, breithüftig, in Hosen, mit Arbeitsgesicht, die andere ebenso eine Arbeitsfrau, trotzdem mit lackierten Nägeln. Frauen, die nie etwas anderes als Arbeit gekannt haben mochten, so sahen sie aus.

Um 15,00 eine Affäre mit Direktor Hammer vom Maka-Werk. Ihm wurde eine Kiste aufgebrochen.

Er pflanzte sehr die Messeaufsicht.

Nachher war es vollkommen ruhig.

Um halb 5 sollen die Leute Schluss machen, denn um 5 wird gesperrt. Es arbeiten jetzt nur die beiden Tapeziererinnen.

Um dreiviertel 5 die beiden Ta.p. gemahnt zum Schlussmachen. Um 5 gingen sie, nachher noch drei vom Bertoli, die auf einen Sprung gekommen waren, ich drehte die Beleuchtung ab, stellte mich vor die Tür, aber der Oberaufseher kam nicht zusperren. Ich wartete, endlich kam er gegen halb 6. Im Gefolgschaftsraum unterschrieben. Heimgefahren. Die Abende werden kühler. Daheim gemütlich.

Di 5 9 50:

Wirre Träume. Wieder zeitig auf.

7,00 Gefolgschaftsraum melden, wieder A5/6 bezogen. Einige Minuten später eingetroffen. Zunächst nur ein Handwerker von Bertoli da.

Um 8h kam die Tapeziererin wieder.

9h. Ausser den Tapeziererinnen und deme einen Hand-werker von Bertoli noch niemand da. Mehr gessessen als gestern, meist den Tap zugeschaut.

11h. Dann kamen nur die Messetapezierer. Die Tapeziererinnen waren schon fortgegangen.

Nach 11h gingen auch die Messetapezierer, ich löschte das Licht und war allein.

Feuerlöschprüfung.

Gegen 12h kam dann ein Monteur.

Gegessen. Heute ist bis 18h Dienst.

Nachmittag immer nur der eine Monteur.

Durch Ritzen in der Notausgangtür hinter dem Verschlag schaute ich auf die Mariahilferstrasse hinaus.

Ich erfuhr, dass wir bis 19h Dienst haben.

Gegen vier immer noch keine Aenderung.

Ganz zeitig in der Früh hatte ich einige Gedanken. /metaph./, seither gänzlich nichts. iIch freue mich nur auf die NW heute abends, die Dienständerung, jetzt kommend, von Tag zu Tag, und schliesslich dauert ja das ganze keine Ewigkeit.

Kurzes dienstliches Gespräch mit einem Lieferanten vom Maka-Werk, aber sonst gar nichts.

Um viertel 5 ging auch der Monteur.

Ich stellte mich zum Tor und gab einige Auskünfte. Direktor Hammer kam. Er war sehr nett, witzig auch zu den anderen /Feuermeldermonteuren/ und gab mir zum Abschied S 10.--

Nachher der Saal wieder leer.

Ich stehe jetzt wieder draussen vor der Tür.

Sie putzten die Feuermelder, jetzt probieren sie den Lautsprecher aus.

Das Wetter ist sehr schön. Immer wieder heitert es sich auf, und es ist warm.

Noch sehr wenig Mädchen zu sehen. Nur Kinder im Hof. Jetzt kam noch einmal der Handwerker von Bertolo herein und besah sich die Koje 66, die nicht umge-baut wird. Gleich ging er wieder.

17,l0 fuhr auch der Handwerker auf seinem Rad fort. Ich entschloss mich, draussen vor dem Tor zu bleiben bis zum Ende.

Hinterher wird man die Messezeit immer als eine Schattenzeit betrachten, aber während der Zeit seklbst bin ich nicht unglücklich, sondern ein normaler, nur eben abgeschlossener, Mensch. Und dieser Abschluss und das viele Stehen führen eine gewisse Untergetaucht-heit herbei, in diesem Sinn also ein Svchattendasein. Freilich lebt man während dieser Zeit auch und spürt das. Aber es ist um eine Dimension irgendwie ärmer. Hier kann man nur entweder denken oder, was bei mir der Fall ist, geistig in der gewissen Uner-fülltheit verharren. Um l8,l0 wurde ich geholt.

Schluss für heute.

In die NW gegangen. Dort waren viele. Ilse Perl, Eisenreich; Polakovics; Artmann, Altmann, Kein, Fritsch, Cap, Stebnzl, als ich kam. Fritsch, Artmann und Altmann hatten neue Gedichte. Sie nähern sich alle einer gemeinsamenLinie, auf der auch ich stehe.die in meiner Nähe verläuft.

Eisenreich sagte mir, daß von mir noch manches in den Almanach kommen würde. Mein Gedicht "Vom Wert der Bildung" gefiel ihm. Artmann und Altmann gefielen meine Martini-Gedanken. Fritsch gefiel mir ausgezeichnet. Politische Diskussion mit Stenzl, dann angenehmere mit Artmann am späten Nachhauseweg über das Menschenerfreuende der Literatur. Halb zwölf erst heim.

Mi 6 9 50:

5h auf.7,00 Dienstantritt. Ganz allein, nur gelegentlich ein Hand-werker in der Maka-Halle. Ich dachte über die Blaue Dissertation und meine neueren Gedichte nach. Angenehm. Mich freut, dass ich heute nm. schon um zwei frei habe. Tante kam gestern schon vom Land zurück, sie war bei Mama und wird heute wieder kommen. Die Feuermelder wurden in Betrieb gesetzgt.

Bertoli-Gruppe kam, ging wieder, Feuerwehr inspizierte, dann bis auf einen Handwerker in der Makahalle wieder allein.

9,00.

Hammer und einige andere, auch von anderen Ständen schon, kamen. Nun, glaube ich, wird es lebhafter.

Bald aber gingen alle wieder, und die Besengarde der Burschen kam, unter ihnen ein Student. Die Zeit verging rascher.

Es wurde 11,l0, bis die gingen. Dann war ich wieder ganz allein. Nun nach viertel 12 kamen Leute von der "Wiener Plastik", die endlich das Alte niederrissen. Lebhafter.

Keine Mittagspause, erst um 14h die Ablöse für heute.

Dann gehe ich heim.

/Die Leute von der "Wiener Plastik" arbeiteten, in der Maka-Koje wurde schliesslich auch zu arbeiten begonnen, und die Buchstabenkleber kamen in unsere Halle./

Um 14,15 wurde ich abgelöst, meldete mich ab und fuhr heim.

Daheim nach der geeigneten Verfassung von Vormittag zu dichten versucht; aber vergebens; die Stimmung fiel ab.

Zeitig niedergelegt. Beim Fenster noch kurz den herrlichen anherbstenden Abend bewundert, kühl, wenn auch noch windstill und gar nicht rauh; so mild; die Sternbilder, die eigen klare Luft draussen ... Der Tag war immerhin sehr warm.

Tante war gestern und heute bei Mama.

Do 7 9 50:

Um 7h gekommen. 7,30: Elektriker kamen. Geredet. Den Spruch gelernt "Boshaft wie ein ganzer Wald von Affen". 7,45 kamen Transporter für "Wiener Plastik". Dann wieder fast allein. Polizist redete mit mir über Chemie und Mathematik. Gegen 9h wurde es wieder lebendiger.

- Dann kamen wieder nur einige, die warteten. - Inspektion von der Messe aus; vermeintlicher Hinausschmiß eines vom Maka-Werk.

- Dem Polizisten Chemisches beigebracht. Es ist 3/4 10 geworden.

- Noch eine genauere Chemieunterweisung, Gespräch mit dem Polizisten. Er ist verheiratet, hat 2 Kinder, eines davon schon schulpflichtig, und er selbst möchte noch die Matura machen. Ein Autodidakt, der gern Kurse besuchen täte ... Es sind doch interessante Typen da zu beobachten. (l0h).

Länger wieder fast allein. - Schon viele Lastautos im Hof. In unserer Halle immer noch kein Betrieb.

7 9 50 Fortsetzung:

Gegen 11 begannen sie wieder in der "Wiener Plastik" zu arbeiten.

Mit den Besenleuten mich unterhalten. Dann nichts.

Um 12,20 kam Dir. Hammer auf kurze Zeit her.

12,30 Nur bei Maka wird ein bißchen gearbeitet und bei "Wr. Plastik".

Dann wieder alles leer, nur die Feuerwehr kam inspizieren.

Gegen 13: Auch bei Zboril beginnen sie nun zu arbeiten. Zuerst kamen zwei Frauen, die jüngere ging wieder fort, später kam ein alter Meister dazu.

Ich saß jetzt immer ruhig auf meinem Platz. Erst um 14,30 konnte ich heim.

Nachmittag, nach dem sehr späten Essen, zerbrach ich mir den Kopf über "Infinita Vera". Ich versuchte, das übersetzte Stück aus "The Waste Land" in Gegenüberstellung mit dem Original reinzuschreiben. Ich kam heute nicht weit damit und werde es neu anfangen einmal. Dann las ich noch in Eliot. Nachher nichts mehr getan. Vormittag hatte ich große Lust gehabt, weiter Tagebuch zu schreiben (den Rückstand aufzuholen),.

Legte mich zeitig nieder. Wirrer Traum.

Rekonstruktion einer Notiz, von einem Nachtstenogramm:

Nachts auf den 8. September 1950:

Ich träumte von einer Art über-"ununterbrochener "Dichtung" in der Zeitschrift "Plan", die ich immer wieder Mama vorlesen wollte aber selbst noch nicht ganz gelesen hatte. Mama aber hörte sich nicht die ganze an, so dass ich immer nur stückweise dazukam, was mich verdross. Ich gab die Zeitschrift Artmann bei der nächsten Gelegenheit zurück, und liess mich dann lieber von der Erinnerung daran als von ihr selbst noch anregen.

Inzwischen hatte ich auf einem Bernklau-Rückweg den Herbst gesehen, und begann selbst ein Gedicht vom steilen Himmel zu schreiben. Der war ganz grau, die Baumreihe stand niedrig und längst kahlgefallen in ihn, der selbst sehr hoch war. Der Gedichtanfang selbst mutete mich Stefan-Georgisch an. Diese "Ununterbrochene" handelt von einem Abschied, auch der damit verbundenen Kinderlosigkeit, ausgeführt in einer Weise, dass Eisenreich sagte "Unheimlich!" - von der Kinderlosigkeit zB. in immer wieder angeschlossenen Absätzen, in denen Schönheiten der Natur gezeigt wurden, ich glaube auch "Reh" u.s.w., und dann immer wieder in Form von Absätzen a/ u.s.w. der Schluss, eine Art Kehrreim, auf die Kinderlosigkeit kam. Es war eine Dichtung, von der ich mir sagte, dass sie meine ideale sei.

Vorher hatte ich, wie so oft, meinen spannenden Traum von Eisenbahnfahrten, vielen Stationen /Salzburg! .../ und Klosetten, auf denen ich unbeschränkt Zeit hatte. Dann verlegte sich die Handlung in den Keller, Tante Fini und Mama kamen darin vor, und einer, der Johann hiess, der aber eine Mischung von Steinhofer Portieren und meinem Nachbaraufseher auf der Messe war, ... und hinderte mich an irgend etwas Spannendem, das ich angehen wollte.

Nach der "Ununterbrochenen" war ein Raum mit Nebenraum, ein Drama wurde zu Ende gespielt mit Eifersuchtsmord, Erdolchung, dazu brachte ein Angestellter einer Konfektions-firma erst eine Kinderpuppe als Leiche; sie wurde ausgepackt und dann vors Publikum getragen. Der Mörder ass hinterher Wurst. Wir sagten, wie appetitvoll ein Henker zubeissen kann. Er lachte nur, über sein ganzes volles, blühendes Gesicht. Ich war irgendwie in meinem Problemkreis um die Todesstrafe berührt, unangenehm berührt.

In der "Ununterbrochenen" gab es mehrere Abschnitte über das Thema der Kinderlosigkeit, dann hatte sich der Kreis geschlossen, und ein anderer Abschnitt begann. Flüchtige Aehnlichkeiten des Fluidums mit "Antigone" von Anouilh, aber nicht in Form oder Haltung:; vielleicht nur, weil an der gleichen Stelle im "Plan" und ebenso lang. Form wie ein Ueber-Eliot oder ein Ueber-Eluard, dabei mit Positionen wie im Einige-Gassen-Gang, starke Erinnerung aber an Bert Brecht.

Artmann wollte mir inzwischen zwei Seiten zu lesen geben, die überschrieben waren mit II und eher wie Altmanns Manuskripte aussahen.

Gehaltsbestätigung von Andreas Okopenko
Fr, 8 9 50:

Um 7h gekommen. Morgen muß ich eine Stunde früher dort sein. Sie sperrtetn erst um 7,15 auf, viele warteten schon auf den Einlaß.

Gestern nachmittag, als ich fort war, ist viel gemacht worden. Ich ging im (diesmal beleuchteten) Objekt umher.

8,45: Etwas mehr Betrieb als gestern.

10: Es wird viel gearbeitet.

12: Teils herumgegangen, teils (diesmal bei Wr. Plastik) gesessen.

Die Zeit verging geschwinder.

13,45: Bis jetzt keine Mädchen.- Die ganze Zeit gesessen.

Schon zeitig, genau um 14h, abgelöst. Ich komme diesmal wahrscheinlich nicht zur Modeschau.

Nachmittag ging Mama mit Fini auf die Linzerstraße. Ich trieb CHemie. Am Abend tranken wir Wermut. Großes Verlangen nach dem Mädel. Ich möchte aus dem Zustand heraus, in dem ich "um eine Dimension zu wenig habe".

Sa, 9 9 50:

Um 4h aufgestanden. Kühl. Ich mußte den 47-er Weg zu Fuß machen. Der 46-er war noch fast leer. Schöne Morgendämmerung (noch daheim betrachtet. Unterwegs war es schon heller). Arbeiter-Zeitung unterwegs gekauft (Radio-Kritik, aber nichts über Artmanns Dichtersendung). Um 6h in der Wiener Messe, aufgesperrt wurde aber erst um 6,30. Bis dahin im Hof die Zeitung gelesen.

Bis 7 gar nichts los. Ich ging in der unerleuchteten Halle auf und ab und dachte an meine Gedichte, die die Natur so heilend für den Menschen zeigen.

Auch uUm 7,30 noch wenig Betrieb.

8,30: Es wird schon ein bißchen gearbeitet.

Brandweiner ist immer noch uneingerichtet.

Vor 9 ziehen manche Waren und die letzten Handwerker ein.

9,10. Hochbetrieb. Die große Kommission ging durch.

11h: Arbeit an allen Ständen, Beleuchtungen schon in Betrieb. Es wird fleißig eingerichtet.

Ich ging teilweises herum, teils saß ich bei "Wr. Plastik". 12,30. Zeit verging rascher. Es war mit den Leuten von "Wr. Plastik" (und überhaupt) recht gemütlich. Schon um 14h, ganz pünktlich, kam der gestrige Student, mich abzulösen.

Im Gefolgschaftsraum mich abgemeldet, S 121.20 Lohn bekommen, überraschend viel, obwohl keine Überstunden.

Nachmittag daheim. Tante kam. Ordnungen. Meinen "literarischen Lebenslauf" für die RAVAG geschrieben. Das Gedicht vom 6.9. doch aufgenommen in die Sammlung. Dagmar ist Reitschullehrerin! - Es war noch ein genug langer Nachmittag gewesen. Ich bekam Rohscheiben. Abend in guten Gedanken verweilt. Schöner Tagesabschluß.

So, 10 9 50:

4h auf. 47-er wieder zu Fuß. 6h Dienstantritt. Ich traf Pauli und Bertl. Die Halle war diesmal offen, beleuchtet, und ein Nachtwächter war drin.

Bis 7,30 nichts los. Ich ging allein herum. Über die "Ausgestaltung", von meiner jetzigen Warte aus, nachgedacht. Nun kam Eine von "Wiener Plastik". Um 8h schon manche da.

So, 10 9 50 (Fortsetzung):

Nach 8h kamen die ersten Messebesucher, als die meisten Stände noch unfertig waren. Nach 9 war dann alles in Ordnung. Eine unauflösbare Masse von Menschen der Großstadt. Ich habe entzündete Augen.

Wirbel. Nur Duft und Farben vor mir, alles schwirrt, nirgends ein ruhiger Punkt, ich komme endlich heim wie ein entzweigeschnittener Hund. Wie schön war es in der PHG gewesen.!

Daheim (sehr ermüdet und abgenervt) mich etwas in Ordnung gebracht.

Zeitungen gelesen. Den Rest des Tages vertrödelt, ich wünsche mir aber sehr mein Mädchen.

Furchtbar geschwitzt.

Mo 11 9 50:

Ich bin jetzt in der Früh ganz aufgefrischt.

47-er wieder zu Fuss, Vogelgezwitscher von einem Baum mit hundert Vögeln, herrlicher Sonnenaufgang über der grauen Stadt.

Ich bin wieder ganz der Literat und mit meinen Produkten einverstanden. Ich stellte gestern Abend den Kern meiner neueren Auffassung des Negativen der Ausgestaltung fest: Unter der Ausgestaltung leidet die Tiefe, die Innigkeit. Ich hoffe auf ein Mädchen ohne diese Problematik. -

Heute stellte ich fest, dass immer der Kontakt mit der Grosstadt mir Gedanken über die Ausgestaltung und Erotik, von einer anderen als der energisch-frühlingshaften Seite gesehen, bringt. Jener Grosstadt, die durch eine Ueberfülle von zusammenhanglosen Einzeleindrücken gebgeben ist; von Menschen, mit denen man sich nicht befassen kann, sondern die immer neu an einem vorüberfluten, von Farben, Düften, die immer-fort wechseln, von Gedanken daher, die immer neu anfangen und deshalb im Kreis gehen oder besser auf einem Punkt verharren, aber mit dem Energieaufwand einer intensiven Gemütsanspannung. Eine Sisyphosarbeit des Gemütes; die Sinne erregt ohne im Sinn angeregt zu sein.

Ich habe lieber eine beschränkte Menschenzahl, mit denen man sich befassen kann. So bietet mitr die Zeit der Handwerker und Lehrmädchen in der Messe mehr zu sehen als der Vorübermarsch der Beschauer. Auch ist mir eine wirkliche Arbeit lieber als dieser Aufpasserdienst;: man hat keine Arbeit hier, muss aber doch immer intakt bleiben; darf weder eigenen Gedanken nachgehen noch sich ausschalten, um wenigstens auszuspannen. - Das einzige äussere Interessenobjekt wären die vorüberflutenden Menschen, von denen man aber immer wieder abgleitet.

Bis 8h noch kein Kojenbesitzer da!

Erst um 9h begann der Betrieb. Viel netter als gestern, persönlicher mit den Kojenleuten. Auch mit den Studenten vom Makawerk. Heute war ganz ein blauer Montag, so schlecht besucht.

Sehr angenehmer Tag, nette Frauen von "Jako", Zeit verging rascher; keine Auskünfte fast.

Dann Tante angerufen, noch auf der Messe etwas umher-geschlendert, abgemeldet, zu Tante gefahren /PHG/

Heisse Tage. Schlechte Strassenbahnverbindung, endlich heimgekommen, nicht müde diesmal, Mama war bei Fini, Spät gegessen. Der "Kreis" sucht Verbindung mit mir und möchte eine Lesung meiner Sachen veranstalten. Angenehmer Tag. Mama kam nach 17 Uhr. Sie gab heute den Pelz nach Kapfenberg auf. Ordnungen.

Di, 12 9 50:

Wieder um 4h auf. Öderer, langsam vergehender Vormittag.

Daheim nur einige Ordnungen. Die "Neuen Wege" kamen an.

Um ,17h die Sitzung. Altmann, Artmann, Fritsch, Hauer, Kein, Polakovics, Stenzl. Planung eines "Problematiker-Kreises". Fritsch schreibt sehr gut!

Es wurden seine und Artmanns Sachen und einige neue Einreichungen an Ort und Stelle geprüft. Schön. Heimweg Wirtshaus. Halb elf heimgekommen.

Mi, 13 9 50:

Nur 5 Stunden geschlafen. Las früh vor dem Weggehen noch in den "Neuen Wegen" (Existentialismus Strobach usw.), ging dann wieder zu Fuß, 6h Dienstantritt, auch hier noch gelesen (Lyrik; HPHöhepunkt: Weißenborn, Hauer, auch meine Sachen; es ist so ausgleichend). Ich hatte den Einfall, meine drei Exerzitien einzusenden. Ich dachte nach. Lehnte heute meist im Eck. Der Bürgermeister kam. Man muß sagen: Er ist wirklich beliebt bei den Wienern.

"Hast du stets mit deinem Bart zu ringen - Maka Klingen werden ihn bezwingen."

Etwas besser als gestern. Existentielle Gedanken, ixch habe keine Angst mehr im wesentlichen vor ihnen.

Nachmittag daheim. Ein Paket von Hanecker kam.

Do, 14 9 50:

Wieder zu Fuß. Etwas verspätet. Gedanken gegen die Dekadenz. Ich las das Magazin "Cocktail", das einer Geschäftsdame gehörte, in einer Koje, als noch niemand da war. Es ist immer dasselbe harmlos-dumme bis böswillige, aber reizlose Gesudel, von Hollywood über die dünne Kurzgeschichte bis zum "Kampf der Geschlechter" und dem Schlagwort vom "Physiologischen Schwachsinn der Frau". Dabei diese Bemühung um einen Beigeschmack von Reiz, der aber nur für die Verderbtheit Impotenter einer sein kann.

Mikrophon, "klar gesprochen", Reklamesprüchlein gemacht und durchgegeben.

Die Zeit verging viel rascher.

Daheim war es gemütlich. Ich las noch viel im Septemberheft der "Neuen Wege" üund schrieb dann einige meiner Gedichte rein, um sie einzureichen.

Versuchte zu dichten. Das mißlang. Abend gab es Schnitzel. Ich hatte den großen Wunsch nach einem lieben Mädchen. Auch über meine Fremdheit in den Sphären der Metaphysik, der non-zentrierten Erotik und der Politik (übrigens ebenso des Technizismus) nachgedacht. Meine Gedichte über diese Themen könnten mich nie repräsentieren in meiner ganzen Eigenart. Es sind nur Meinungen, nicht meine eigentlichen Aussagen. Jedesmal aber, wenn die Einbrüche aus diesen fremden Gebieten erfolgen, bin ich zur Reaktion gezwungen, und die ist immer leidenschaftlich. So könnte man etwa gar denken, wenn solche Reaktionsgedichte erhalten blieben, solche Gedanken hätten meinen eigentliches Leben ausgemacht. Wie lächerlich. Es sind Episoden, die hinter mir gelassen zu haben ich jedesmal herzlich froh bin. Mein wahres Gebiet ist das der gefühlten Werte und des gefühlten Lebens überhaupt.

Versuch einer Deutung dieses Phänomens: Die Metaphysik ist unklärbar. Sie führt, auch wenn man ihr mit Ahnung sehr nahe kommt, immer zur Forderung nach dem werthaften diesseitigen Leben zurück. Non-zentrierte Erotik (die Erotik im üblichen Sinn), Politik und Technik sind äußerlich, dh.d.h. man kommt nur durch einen hoffnungslosen Wust durch sie hindurch zum Wesen.

Dieses Wesen der Dinge aber ist für mich nicht die Definition oder Abstraktion, sondern liegt im Gefühlten.

Beiliegende Zeitungsseite aus "Das kleine Volksblatt", 16. September 1950
Antwort an <rs ref="#Dobretsberger_Josef" type="person">Dobretsberger</rs> Katholik und "Friedensaufruf"
Stellungnahme der katholischen Lehrerschaft Blühendes oder verdorrendes Schulwesen?
Kombinierte Landungsoperationen an der Ost- und Westküste <rs ref="#UNO" type="org" subtype="mentioned">UN</rs>-Offensive auf <rs ref="#Korea" type="place" subtype="mentioned">Korea</rs> eröffnet
Auszahlungsbeleg an Andreas Okopenko
Fr, 15 9 50:

Wie immer zu Fuß hinunter und um 6h Dienstantritt.

Jetzt sind es Gottseidank nur noch drei Tage. Heute früh gegen den Rationalismus nachgedacht. Dann gegen l’art pour l’art.

Im "Cocktail" gelesen, dann Aufzeichnungen fürs neue Tagebuch gemacht.

Über Zeitnähe und den Elfenbeinturm nachgedacht. Dann das Denken wieder aufgegeben. 9h Lohnauszahlung. Nachher verging die Zeit sehr langsam.

6-7 Gedankenstunde (meist noch erfreulich) 7-8 Personalstunde 8-9 Grußstunde 9-10 die ersten Besucher, dann Gabelfrühstück hinter der Tür 10-12 die Höllenzeit 12-14 die letzte Etappe

Das ist immer der Tagesablauf.

Heute will der Tag gar nicht vergehen. Diese Langeweile.

Teils stehe ich draußen, teils vor dem Notausgang, teils gehe ich herum (nicht immer angenehm bei Wirbel), teils sitze ich hinter der Tür im Magazin wie jetzt. Das ist noch das Angenehmste. Da hat man seine Gedanken und entspannt sich. Draußen muß man immer auf Haltung schauen: achtgeben, ob Auskünfte gewünscht werden, oder wenigstens, um mit niemandem zusammen-zustoßen oder nicht geistesabwesend in die Luft zu schauen; und Interesse an Beobachtung ist längst keines mehr da. Das Vorüberrauschen der Eindrücke hat in den ersten Tagen meine Sinne angeregt erregt, wenn auch nicht mich im Sinn angeregt, heute habe ich wenigstens diese Quelle des Schädel-brummens abgeschaltet, dh.d.h. die Eindrücke sind mir heute auch schon wurst.

Wieder eine Weile herumgegangen. Wieder mich hineingesetzt. Es ist wie eine Erquickung, daß es schon 12,15 ist. Stimmung hob sich.

Ich stellte mich zu den Maka-Studenten. Die Zeit verging rascher.

10 vor 2 hinter der Tür, auf die Ablösung gewartet.

Sa, 16 9 50:

Nur noch zwei Tage! Früh über die Folgen einer 100%-igen Empfängnisverhütung (die nur noch eine Frage von Jahren ist) nachgedacht.

Ich glaube nicht, daß die Liebe durch eine technische Einführung aus der Welt geschafft werden kann; so sehr auch Hurerei florieren wird, die verantwortungsbewußten Menschen werden nicht anders handeln als sonst.

Angenehme Gedankenwellen. Zeit verging rascher. Photograph usw. Regenwetter!

"Zerspring" "Das größte Stück soll dich erschlagen"

Es wurde rasch l0h. Großer Andrang heute. Reklamesprüche gemacht, einer davon wurde durchgegeben. Dir. Hammer war wieder sehr freundlich. In der Maka-Halle bei der Tür gestanden. Der Kollege löste mich schon um 13,45 ab. In Buchhandlungen geschaut, um dienach den "surrealistischen Publikationen", alles hatte schon zu. Im Regen gegangen, heimgefahren. Daheim Tante. Kaspar schwarzes Mädchen ... Rohscheiben. Tante ist vom ganzen Heft der "Neuen Wege" begeitstert. (Hingegen Aufzeichnung auf dem Blatt des Messe-Notizbuches: Tante hat heute wieder eine Laune, in der sie moderne Sachen nicht versteht und nichts dafür übrig hat.)

Far niente. Ich habe großen Wunsch nach dem Mädchen ...

Wiener Herbstmesse 1950 Beilage zur Leistungsschau der Österreichischen Wirtschaft.
Buchstaben W-M untereinander geschrieben, mit einem Strich verbunden
1950.
4.9. Mo 7-13 14-1730 10. So 6-14 5.9. Di 7-1230 1330-18 11. Mo 6-14 6. Mi 7-14, // 12. Di 6-14 7. Do 7-1430, // 13. Mi 6-14 8. Fr 6-14, // 14. Do 6-14 9. Sa 6-14 15. Fr 6-14 16. Sa 6-14 S 140.50S 121.20 17. So S 174.25 17. So 6-14 18. Mo 6-14
Gedruckter Handzettel der Wiener Papier-Grosshandlung Carl Mang außerord. Einnahmen
Buchstaben W-M untereinander geschrieben, mit einem Strich verbunden
1950:
Dir. Hammer 10.- Di 5.9. Muster 3 Rasierklingen So 10.9. 10 Mo 11.9. 11 Di 12.9. 1 Lanolcreme 1 Zeitschrift Mi 13.9. 8 Rasierklingen Do 14.9. Dir. Hammer 10 Muster 10 Fr 15.9. 11 So 17.9. Liste 80.- S 90.- + 63 Rasierklingen
Auszahlungsbeleg an Andreas Okopenko
So, 17 9 50:

Wieder Regenwetter. Letzter und größter Andrang. Sechs meiner Reklamesprüche wurden laufend bei Maka durchgegeben.

Ich stand diesmal dort. Es wurde rasch 10h. Früh erfuhr ich, daß ich morgen auch noch Dienst machen muß.

Noch zwei Splrüche gedichtet. Einer von ihnen wurde auch noch durch-gesagt. Wieder umhergegangen, bei Maka gestanden, und hinter der Tür im Magazin gesessen. 12,30.

In all den Tagen habe ich in der Früh nur gedacht (6-7), dann später verfing sich das Denken (vormittag), aber mit zunehmenden Tagen gelang es mir besser, eine Frage gleich früh zu befriedigen und dann die Denkerei vormittag unwesentlich sein zu lassen.

(Daheim am Nachmittag, ebenso schon unterwegs nach Hause, war ich immer ganz der Alte.)

S 80.-- Trinkgeld bekommen.

Nachtrag von Ffrüh: Im strömenden Regen hinuntergegangen, pfeifend.

30.-- ins Taschengeld übernommen. Daheim mich und die Sachen geordnet.

Im Toto hatten wir zwei "zahlende" Sechser gewonnen.

Mo, 18 9 50:

Letzter Messedienst.

Vieles ist schon weggeräumt. Über die Rationalkrise nachgedacht.

Dann wurde es lebhaft, viele Standinhaber räumten. Ausfuhrscheine.

Die Zeit verging recht rasch und ganz frei. Morgen ist kein Dienst mehr, Samstag kann ich mir das Geld für gestern und heute holen.

Um 12 waren schon alle fort bis auf Maka und einen Rest bei Jako, auch die sehr liebe Erika Koch (die Junge) von Mirabell. Viele Mkittelschüler besichtigten das Messegebiet.

Auch von Jako ist man nun fort. Alle sagten "Auf Wiedersehn im Frühjahr!"

Glauben Sie's, glauben Sie's, daß wir uns im Frühjahr wiedersehen.

Um 13h ging auch Dir. Hammer mit seinem Gefolge, nach einem netten Abschied. Mich Ich packte mich zusammen und wartete auf die Ablösung.

Heiß. Alles abgegeben. In mehreren Buchhandlungen vergeblich nach dem Büchlein gefragt, in den ArtClub gefahren, wo aber niemand war.

Später heimgekommen, Mama war bei Fini. Gegessen, anegenehmer Tag.

Wermut gekauft, nichts Wichtiges mehr getan, sehr wünschte ich mir das Mädchen ... Ziemlich zeitig mich niedergelegt. (Am späteren Nach-mittag war das Wetter trüber geworden.)

Di, 19 9 50:

Mich ausgeschlafen, im Bett gefrühstückt.

Mama ging auf die Linzerstraße, ich kaufte im Konsum ein, machte einen Totowürfel; trüberer Tag, aber recht warm; ich habe Lederhosen und Jacke an. Ordnungen.

Nachmittag zu Artmann gefhahren. Ich war schon lange nicht bei ihm gewesen. Seine letzten Sachen gefallen mir sehr.

Unamuno, sehr gut zu lesen für mich jetzt. Über böse Politik.

"Neue Wege": Hübel sehr lieb. Neues eingereicht. Hübel gefallen meine Sachen immer besser, sie sagt, ich bin der einzige "Neue" hier. Über Unglauben. Cap, Stenzl, Hauer. Mit Kein und Hradek gegangen, sehr wortspielreich. Aufgewühlt heimgekommen.

Mi, 20 9 50:

Nicht zu spät auf, Mama ging mit Fini auf die Linzer-straße; ich in den Konsum, dann auf die Uni, Formulare geholt, mich orientiert, sehr nett, S 150.- wird alles zusammen kosten.

Ich ließ mir die Adresse des Haid-Verlages geben.

Ordnungen, dann (nachmittag) zu dichten versucht, es gelang nicht.

Zu Westermayer. Sehr aufgewühlt. Ich bin immer noch der alte Sturm- und Drangmensch. Abend Schnitzel.

Entflammt gegen das Vergessen aller Innerlichkeit in geordneter Äußerlichkeit. (L.K. ..., die Reden über sie ...) Eingeschlafen in diesen Gedanken.

Do, 21 9 50:

Zeitiger auf, aus dem Keller Holz gebracht, Ordnungen.

Das gestrige Gedicht doch zu Ende geschrieben.

Nachmittag noch im Unamuno gelesen. Die Freunde erwartet. Mama ging zu Fini hinauf.

Das Gedicht vernichtet.

Um 15,30 trat der "engere Arbeitskreis" bei mir zusammen, um die Oktobernummer zu machen. Regenwetter. Artmann, Polakovics, Kein, Hauer. Ganz gemütliche Arbeit, beurteilen tue ich immer gern.

E. Eyer, Leitner enttäuschend. Meine Sachen schnitten gut ab.

Jetzt laufen fast keine guten Sachen mehr ein.

Fr, 22 9 50:

"Herbstanfang" gedichtet. Ich bin aus der ver metaphysischen Periode schon heraus.

Flötzersteig-Kino nach langer Zeit: "Liebe 47" (Borcherts "Draußen vor der Tür"). Sehr aufwühlendes Stück. "Und die Welt hat gelacht, und ich hab gebrüllt ..."

Sa, 23 9 50:

Vormittag holte ich mir die S 71.- von der Wiener Messe. Düsteres Radio gehört. Herbstwetter, ganz richtig.

Im vergangenen Jahrgang der "Neuen Wege" gelesen. Diese Zeitschrift ist wirklich gut.

Nachmittag kam Tante. "Sturm" geholt. Herbstregen und -Wind.

Abend Radio gehört. Vom "Sturm" spürte man wenig. Um 18h: hell, aber knappe 6°.

So, 24 9 50:

Nach der Kirche zu Artmann gefahren. Lebhaftes Gespräch über unsere "Wiener Schule". "Herbstanfang" gefiel ihm sehr.

Artmann ist gegen Eisenreichs Schreibweise eingenommen.

Kriesch kam.

Diese meine Leere! Ich wünsche mir, daß Dienstag Lore Hübel kommt - - -

Weniger beschäftigt, Whitman gelesen, Tante kam überraschend.

Ich schrieb plötzlich die Diemlieder und immerfort weiter surreale Sachen ganz neuer Art bis abend. "Mappe 24 9 50" entstand.

Mo, 25 9 50:

Angenehmer Tagesbeginn. In die Uni gefahren.

Volksdeutschen-Bestätigung war nötig, Rennerei, inskribiert, Platz belegt, Brunnenmarkt Nüsse, mit der Schuljugend heimgefahren.

Noch ein schöner Tag. 15°, sonnig. Im entliehenen Hölderlin gelesen, Ordnungen. Mama ging zu Fini. CHemie, an der Maschine geblödelt (Begebenheiten geschrieben). Mama kam schon zeitig zurück. In der "Furche" gelesen, Radio, noch viel geplaudert (über die "Neuen Wege" uswusw.), dann zeitig mich niedergelegt. "Der Himmel ist rot" muß ein guter Roman sein.

Di, 26 9 50:

Sehr zeitig auf. Teuerung angekündigt.

Ich versuchte zu dichten, es kam nichts dabei heraus. Die Zeit nicht voll ausgenützt.

Geblödelt, fade.

Zu Artmann gefahren. In der Stadt gab es Demonstration!

Revolutionäre Stimmung bei uns. Meine "Mappe" gefiel Artmann sehr.

Wir gingen zu Polakovics. In der Sonntagnummer der "Arbeiter-Zeitung" waren wir von Weigel gelobt worden. Aktivität für die "Neuen Wege".

Auch die Novembernummer stellen wir zusammen.

In der Redaktion S 20.- Honorar bekommen. Altmann, Artmann, Hradek, Kein, Polakovics, dann Stenzl, Wi, Diem, Hauer. Sehr lebhaft.

Verbot eines Altmann-Gedichtes durch Häußler. 3 Pakete Lektorarbeit.

Hübel-Lore kam nicht. Mit Artmann, Hradek und Kein den Heimweg gegangen. Ich reichte 6 Gedichte ein. Hradek ist ganz sympathisch.

Mi, 27 9 50:

Zeitig auf. Ordnungen. Aufstieg. Ich ging allein auf die Linzerstraße einkaufen. Abstieg. Artikel über Pessimismus und Zeitkritik zu schreiben begonnebn.

Do, 28 9 50:

Quästur und Rahlgasse. Den Aufsatz weitergeschrieben.

Die "surrealistischen Publikationen" kamen an. In denen gelesen.

Trafik, Post, Westermayer. Radio gehört. Gelesen, eine surreale Zeichnung gemacht, nichts mehr geschrieben.

Fr, 29 9 50:

In den "surr. Publ." gelesen. Einkauf mit Mama auf der Linzerstraße. Den Aufsatz über Zeitkritik fertig geschrieben.

Surrealistische Niederschriften.

15h zu Polakovics gefhahren. Er stellt mich über die Surrealisten aus den "Publikationen", die ich ihm übrigens lieh. Mein Artikel kommt in die Novembernummer. Lektorat. Artmann kam. Mit dem dann gestritten. Zuhause sehr gemütlich.

Sa, 30 9 50:

Mama sehr zeitig mit Fini auf die Linzerstraße.

Erwartung der Revolution.

Reinschrift des Aufsatzes über Pessimismus.

Nichts Wesentliches danach gemacht, in alten Sachen geschnüffelt.

Tante kam. Radio gehört. Abend Rind- und Kalb(paprika)-Schnitzel.

Bier.

Betriebsrätekonferenz: bis Dienstag Ultimatum;Wwenn abgelehnt, / Mittwoch Generalstreik.