type="application/xml" schematypens="http://relaxng.org/ns/structure/1.0"?> Tagebuch von Andreas Okopenko, 13.02.1950-28.02.1950 - Digitale Edition Okopenko Andreas TezarekLaura HerberthArno HebenstreitDesiree EnglerthHolger Digitalisierung HebenstreitDesiree TezarekLaura Transkription HebenstreitDesiree Formale Codierung HebenstreitDesiree Semantische Codierung HebenstreitDesiree Stellenkommentar HebenstreitDesiree Korrektur HerberthArno Transkription Stenographie Österreichischer Verband für Stenografie und Textverarbeitung Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung FWF P 28344 Einzelprojekte InnerhoferRoland version 1.0 Austrian National Library
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o:oko.tb-19500213-19500228
Vienna Austrian National Library Literary Archive 399/W150/1 AC14414009 Z148512605 Papier 48 Blatt Tagebuch in losen Einzelblättern mit Beilagen, eingelegt in einen Kartonumschlag Von Andreas Okopenko mit Schreibmaschine geschriebener Text. Von Andreas Okopenko mit der Hand geschriebener Text. Von Andreas Okopenko in Stenografie geschriebener Text.

tagebuch

neu

1950

AOk

Tagebuch:

von: Montag, 13. Feber

bis: Montag, 17. JuliSonntag, 31. Dezember

1950

Der angegebene und geänderte Zeitraum bezieht sich vermutlich auf Teile des Tagebuchs, die später in die Mappe eingelegt wurden.

Andreas Okopenko

MeinDieses "Tagebuchstück" besteht hauptsächlich aus dem Protokoll über den Tagesverlauf, viel später vom Kalender heruntergeschrieben , meist viel später. Nur zum Teil sind wirkliche an Ort und Stelle ent-standene "Tagebuchblätter" mit-verwemndet oder eingelegt.

tagebuch

neu

Feber 1950

Montag, 13. Feber 1950:

Zeitig auf, wenig interessante "Welt am Montag", Konsum-Einkauf, Ordnungen bei mir angestellt.

Um 10 Uhr auf die Uni gefahren.

Das Wetter war lind, wechselnd wolkig.

Zur Ebertprüfung angemeldet /meine letzte grosse Prüfung für lange Zeit jetzt!/, Platz angemeldet und aufs Dekanat um die üblichen Formalitäten. Nm. mich gesammelt, die ersten sehcs Seiten Ebert gelernt, die ich zum Glück schon durchs Ueberschreiben mir geläu-figer gemacht hatte. Heuer ist die physikalische Chemie mir schon heimlicher. Einst war sie mein Alp.

Fini, Mamas Freundin, kam.

Abends ausgeruht.

Tante Luise ist krank.

Dienstag, 14. Februar:

Trübes Wetter, tags fünf Grad.

Vormittag war kein Weg zu verrichten, daher begann ich bald nach geringen Ordnungen in meinen Sachen Ebert zu lernen weitere sechs Seiten.

Mittags damit fertig geworden.

Um drei Uhr Antiquariate aufgesucht, um weitere unnütze Bücher zu Geld zu machen, doch umsonst. Zeitig kam ich anschliessend ins Komitee der "Neuen Wege". Um 17 begann die Sitzung. Wir sechs /Altmann, Kein, Nahlik, ich, Polakovics und Frl. Sokol/ bekamen Gedichte, die sich während drei Jahren in der Redaktion bei Dr. Häussler angehäuft hatten, zu rezensieren bzw. zum Ablehnen. Es ist eine Arbeit, auf die ich mich freue. Man bekommt erstmals Kontakt mit anderen Einsendern und lernt sehen, wie die schreiben.

Ich bekam zunächst die Einsendungen von K-N. Weiteres besprochen. Unser Arbeitskreis soll weitere Vollmachten erhalten.

Nach der Sitzung ging Dr. Häussler mit Pol., Kein und mir fort. Wir führten ein lebhaftes Gespräch über das Kriegs-verhängnis. Dr. Hä. sagt, er habe sich so über den allbelobten Film "Wiener Mädeln" geärgert, weil das Publikum wieder Gelegenheit hatte da, das Militärische von der zuckersüssen Seite her zu bewundern. Er sehe sich überhaupt seit dem deutschen Film "Der Apfel ist ab" keinen anderen mehr an, da dieser derart gut war. Ich habe ihn nicht gesehen und ich bedaure es. Nachdem Dr. Hä. sich verabschiedet hatte, sprachen wir noch längere Zeit über dieas Anliegen des Verstehens u.a. Das erste solche Gespräch mit Polakovics, glaube ich, war heute.

Wir wurden gleich wieder für den Donnerstag hinbestellt.

Mittwoch, l5. Februar:

Zeitig auf. Wir fuhren heute zu Tante Luise, die krank ist. Ebert etntfällt heute naturgemäss. Ich nahm K-N mit, die Rezensionen, die ich dort gleich anging. Ich fand nicht allzuviel Gutes, ich brauche mich nicht zu schämen mit meinen Einsendungen. Gernot Ludwig ist einer der besten Lyriker, die ich gelesen.

Neun Wärmegrade draussen in der Stadt. Warmer, wenn auch meist trüber FVorfrühlings-tag /oder besser Nachwinter, weil das unruihige Frühlingsweben momentan nicht in der Luft liegt/.

Heimgefahren, recht angenehm.

Das "Trudscherl" gesehen, sie war sehr verlegen, ausserdem nett.

Sieglinde Kaipr:ein sonniges Mädel muß doch

Ein nettes Mädel

Ein sonniges Mädchengemüt wie ihres muß doch mehr tausendmal mehr beinhalten als die abdsorbierten fremden Konventions Formeln!

Sie muß

Sie muß

Solange sie nicht ihre eigenen Inhalte, gereinigt vom konventionellen Klingklang, zu bringen imstande ist, in ihrem eigenen Interesse: nichts bringen.

AOk

Hans Kiefer:

Die Afrikalieder als ganzes in einemn Sammelband gegebenenfalls aufnehmen.

AOk

15.2.50 (aus den Rezensionen)

Den Rest des Abends die K-N-Lyrik zum für mein eigenes Vergnügen durchgelesen.

Donnerstag, 16. Februar:

Ziemlich zeitig auf. Konsum-Einkauf usw., Ordnungen, anschliessend den halben heutigen Ebertstoff gebüffelt. Es ist eigenartig das Gefühl, halb redaktionell, halb chemisch verpflichtet zu sein. Manchmal - ich weiss nicht, ob ich das gerade zu diesem Anlass zu Recht notiere - möchte man fast chemisch pausieren. /Ich weiss allerdings nicht, wie ich gerade sagte, ob ich an dieser Stelle solche Gedanken hatte. Denn oft befasste ich mich beinah begeistert mit Chemischem./

Um dreiviertel zwölf tauschte ich im Red.-Vorraum der "Neuen Wege" mit Kein die zu behandelnde Lyrik aus. Auch Polakovics erschien. Seitdem auch der zweite Surrealist Alrtmann hinzu-gezogen worden ist, sind wir sieben. Artmann ist zu unterscheiden von Altmann, interessanterweise sind beide Surrealisten. Kein findet meine "Wolfslieder" schwach, von der Infinita Vera wünscht er die drei Schlusszeilen weg /die sind aber der wichtigste Punkt in meinem Gedicht!/, einige findet er gut.

Kein und Polakovics sprachen noch eine Weile über die Verdienste Morgensterns und Whitmans um die Erneuerung der Literatur, dann gingen wir auseinander. Samstag tausche ich den heute erhaltenen Stoss Gedichte O-R wieder mit Polakovics aus.

Nm. zunächst O-R etwas rezensiert, dann den Ebert zu Ende gelernt. Abends wieder einmal ins Flötzersteig-Kino, mein ein-ziges seltsamerweise, zum Nachkriegsfilm

Altm.

Erinnerung

Sommerabend

Oktober (bes. gegen den Schluß zu)

Zerbr. Finger

Spaziergg. am Abend

Leere

Harfe i. Rohr

Unmut. L. D.

Die Nacht kommt über die Hügel

Auch ist "Nov. Abend" so manchen den Nov.-Gedichten anderer Autoren vorzuziehen.

"Martina" /Das Mädchen ohne Halt/ gegangen. In der bekannten ps.-anal. Art gefasst. Ganz gut gefallen. Jedenfalls positiv und in der deutschen Anständigkeit gehalten.

Im ganzen war der Tag, angenemhm, das Wetter trüber, aber doch genu g warm.

Freitag, 17. Februar:

Ziemlich zeitig auf. Kein Weg. Vormittagswetter: Vorfrühling, warm, Fenster offen, blau, linder Wind.

Rezensionen O-R zu Ende. Altmann ist gut! Ein Gedicht, satirisch, unter dem Titel "Dichterlesung" geschrieben. /Innerhalb einiger Minuten/.

Ich lernte Ebert, dazwischen zog ich mich auf "frühlingsleicht" um, holte einige alte Eintragungen nach, brachte aber immerhin auch Ebert zu einem aufmerksamen Abschluss.

Frühlingsstimmung! Ich kramte wieder die Auslese "Lyrik der Weltliteratur" aus, und abends gab es Schweinsschnitzel. Ich nehme den Surrealismus als einen Realismus und sehe keine zwingenden Bezüge von Surrealismus und Dekadenz. Einiges zu dieser Frage notiert.

Samstag, 18. Februar: FASCHINGSAMSTAG

Weit blauer Himmel, sonnig warmes Frühlingswetter. Zeitiger auf. Konsum. Ich dichtete eine Art Galgenlied /im Zusammenhang mit der angekündigten Wasserstoffatombombe, die die Erde zu einer Sonne machen würde in wenigen Minuten/: "Der Pudding sprach ..." Nochmals ein Konsumweg. Ein Spruch fiel mir ein /auch ein linker Gerader trifft!/. Um halb zwölf erwartete mich Polakovics bei der Cabos-Fabrik. Leider war, wie ich mir auch schon gedacht hatte, die Geschichte umsonst: Es war keine neue Tausch-Kombination möglich, so ging ich leer heim. Ich hörte indessen manche Kritik über mich, meist begei-sterte Stimmen über Maja Nueva, Inf. Vera, "Ach ich grüsse den Sack" und so weiter. Artmann fand verblüffenderweise einen Eliotschen Einfluss in diesen Gedichten. Also ist Eliot nicht nur in meinen Augen mit mir verwandt! Es bereitet mir eine gewisse Freude da.s. Die "Dichterlesung" und die "Zeitkrankheit" gefielen Polakovics so, dass er sie gleich mitnahm.

Es ist jetzt eine bewegte Zeit für mich, ein Aufbruch.

Gutes Mittagessen, wie es sich für einen solchen Faschingstag "gehört". Ordnungen. Ich verfasste die Satire "Sonnengesang" /siehe H-Atombombe!/.

Ebert, zu dem ich keine Lust hatte, gar nicht gelernt.

Ziemlich langweilige "Neue Auslese" durchgeblättert, mehrere Nummrern.

Aber ich stiess wieder auf Eliot. /Im Maiheft: von dort meine Liebe zu diesem Dichter; ein Essay über ihn mit wenigen übersetzten Proben seiner Gedichte/...

Rindsschnitzel. Ganz unterhaltsames Faschingsradio.

Sonntag, 19. Februar: FaASCHINGSONNTAG

Zeitig auf, Sonntagsbad, zwei weitere /diesmal unpolitische/ "Galgenlieder" gedichtet: Eiene Messerspitze Salz und Eine Tube Himmelsblau.

Kirche. Vormittag beim Radio, sonst nichts. Auch nachmittags zunächst fad. Ebert gelernt. Danach ganz nett unterhalten. Vom Radio stand ich auf und sah zum Fenster: Trudscherl ging dort den Flötzersteig-Weg hinunter, mit einem Burschen. Ich bekam anschliessend Worte zu einem Gedicht.

Der Abend war neblig.

Kein Frühlingseindruck: früh Minusgrade, auch sonst grau, trüb, kühler ...

FASCHINGSMONTAG, 20. Februar:

Neblig, wie gestern abends auch; -3 Grad, -2 Grad später. So stand ich auf, zeitig, die Montagszeitung war wieder nur mässig interessant.

Gleich in aller Frühe dichtete ich den "Abend im Vorfrühling". Er enthält sehr viel dieses unbestimmbaren Fluidums.

"Es müsste nicht so ein Nebel sein, und dass freilich Marie ... Aber lassemn wir das - Der Abend ist schön und wir wollen unds freun."

/Marie heisst das "Trudscherl"/.

Ein Spaziergang in seltsam dürrer Landschaft folgte um die Steinhofer Mauer, mit Mama. Nachher erst recht zu dichten Lust gehabt. Ich schrieb das Gedicht zu Ende.

Reinschriften. Es war mir nachmittags sehr recht, dass Kein und Polakovics kamen. Sie berachten mir A-H zum Rezensieren. Ich lernte freilich zuerst mein Ebert-Pensum. /Oder ist das nicht gar so freilich?/ Nachher jeden-ffalls rezensierte ich alle Einsendungen, die mir gebracht worden waren, durch.

Gegen Abend,so um e21 Uhr, noch zwei Gedichte: Ein leeres Boot ... und "Du willst mit mir fliehen".

FASCHINGSDIENSTAG, 21. Februar:

Früh viereinhalb Wärmegrade.

Zeitig aufgestanden, Konsum, der Frühling wird merklich.

Der Frühling: Stürmisch, zausig, blauer Himmel mit Wolken rasch wechselnd, oft ist die Luft schneidend, die Sicht ist klar; aber alles in der jungen Erwartung kommender Blüte.

Trotz allem keine "kalte" Jahreszeit. Meine Jahreszeit.

Verschiedene Ideen.

Schon vormittags Ebert gelernt.

Fini holte Mama ab, ich blieb allein und beschäftigte mich literarisch. Schon gestern kam mir der Einfall, vertane Gedichte auf den Grund ihrer Pleite zu untersuchen. Ich versuchte mich daran jetzt. Die Sommerimpression "Endlos duftet" ist in ihrer ersten halben Zeile echt, in den zwei TZeilen der dritten Strophe auch, die vierte ist überflüssig, die Reflexionsmomente sind unnötig; es sollte eine reine Impression daraus werden.

Nach einigem Plaudern daheim fuhr ich wieder in die Sitzung. Dort erschienen abermals die Sieben. Sokol! In der Redaktion nichts Neues, die Rezension wird weitergeführt, ich bekam diesmal nichts Neues. Unsere Zusammenkünfte wurden endgültig auf den Dienstag festgelegt, zunächst auf jeden.

Anregender Heimweg zu Fuss, morgen kommen die Burschen zu mir in die Wohnung.

Angenehmer Tag.

Zahlungsbeleg von 5 Schilling für ein "Sonett", ausgestellt vom Theater der Jugend (Wien)

gek. 22 2 50

Verse, Als Maxi geistreich bleiben sollte ...

Ich werde zu einem erfahrenen Neurotiker gehen, Der soll mir beweisen, Daß ich doch ein Lyriker bin. Nur in der ersten Zeit, später werde ich das selbst können; komplex ein bißchen Derweil kann ich das Beweisen noch nicht Später, Wenn mein frisch getaufter Komplex ein bißchen gelernt hat, Mit der Öffentlichkeit zu raufen, Brauche ich den Meister nicht mehr. Der soll dann einstweilen ins Krankenhaus schauen Und einen Platz für mich belegen, Oder auch einen Redaktionssessel. Bei der bis dahin gegründeten
langer Pfeil vom Wort "Polakovics" nach links zeigend
Polakovics Zeitschrift

23 2 50

ASCHERMITTWOCH, 22. Februar:

Vormittag, nach dem zeitigen Aufstehen, gab es keinen Weg. Es fiel Regenschnee, Temperatur dementsprechend um den Null-punkt.

Ich fing gleich wieder zu lernen an. Später als ivch fertig war, und Mama auf die Linzerstrasse einkaufen ging, beschäftigte ich mich mit Ordnungen /Z/ und Reinschriften.

Nachmittag kamen sie zu mir: Pol, KXein und Artmann. Wir rezensierten H-J und unterhielten uns dabei angeregt. Diese Arbeit ist uns sehr nützlich. Ausserdem lernt man einander gut kennen. Pol's Lieblingsdichter ist Rilke, von dem er mir viel erzählte.

Allein noch die Rezensionen Sch-T durchgeführt, Toman ist grossartig!

Tante hat, wie ich beim Telephon erfuhr, Herpes bekommen. Frl. Huber von Tantes Büro erkrankte an Blutvergiftung.

Donnerstag, 23. Februar:

Blauer Himmel, aber kalt. /Früh -4 Grad!/ Ganz zeitig auf. Sehr rasch Ebert gelernt. Auf die Uni gefahren, Formalitäten durch-geführt, Idee - aber nicht mehr - für neue "Galgenlieder" /Dr. Grinse usw./ Ich erwartete dann die Kollegen.

Um ein Uhr kamen sie wieder zu mir, die drei von gestern. W-Z fertig gemacht. Schon um halb vier waren wir fertig. Wir sprachen dann über seltsame Sachen wie die Greguerías, mit denen mich Art. bekanntmachte, über Eliot, den zu übersetzen ich der Berufene wäre, wie sie sagen, Art wird ihn mir ausleihen; Flämische Dichtung zusammen mit dem Originaltext liess er mir zum Lesen hier.

Spazieren gegangen mit ihnen noch. Unbeschreiblich schöne Landschafts-stimmungen draussen. Ein Flecken brauner Erde zum Beispiel mit Mistgeruch; abgelegen wie aus anderen Ländern her. Kühler direkt schon Frühlingstag.

Gegen meinen Plan nichts mehr gedichtet. Nur in den Flamen gelesen.

Freitag, 24. Februar:

Ich hatte gestern "Verse, als Maxi geistreich bleiben sollte" gedichtet, da mir Pol unter meinen "Dezemberfrost", den er gänzlich ablehnte, schrieb:

"Und die Moral von der Geschicht: Bleib geistreich, werde sinnig nicht!"

Die spasshafte Geschichte hat einen ernsten Hintergrund; man möge mich nicht als Alyriker ansehen. Meine Gedichte kommen aus anderen Tiefen als blosser Geistreichelei.

Später aufgestanden. Ausser zwei Konsumwegen nichts getan vormittags. In der flämischen Lyrik geblättert. Etwas unwirsches Wetter. Die Sonne ging weg. Ich besuchte nachmittags die Gschnasausstellung im Künstlerhaus. TPTiefpunkt: Oede, wenn auch keine greifbare schlechte Stimmung.

Mama war nicht daheim; ich machte Ordnungen /Z/ und Reinschriften. Abends noch flämische Lyrik gelesen.

Samstag, 25. Februar:

Spät aufgestanden, Reinschriften fertig, den Vormittag über andere Ordnungen. Herrlich blaues Sonnenwetter, frühlingshaft, namchmittags zehn Wärme-grade.

Tante kam, es wurde der Nachmittag zunächst öde wie gestern. Ich über-setzte aus dem Ukrainischen.

Der Abend ist mit einem Schlag so eigen. Ich stand drauusendraussen vor der Halte-stelle, um mich den beginnenden Frühling, den lauen Abend in den Kastanien.

Die Strassenbahn kam, ich fuhr in die Stadt, alles ist so warm. In der Stadt das rote Licht der Reklameröhren, ein Mädchen fuhr im 46-er.

Im Schreyvogelsaal angekommen, wo die DICHTERLESUNG stattfand, waurde der Abend öder. Das Publikum aus sog. gebildeten Kreisen /Lehrer und versch. Verwandte, keine Presse anwesend, auch keine literarisch interessierte Jugend, mit solchen Leuten kann man keine Revolution machen, haha./. Bildungs-elefanten, oft recht kostbar geziert. Ich war entsetzt, auch wie gelesen wurde. Eine gesellschaftliche Veranstaltung, aber keine "Neuen Wege". Artmann spricht davon, dass der Surrealismus die Decadence überwunden hat. Altmanns heute gelesene Gedichte seien kein Surrealismus übrigens. Von mir wurde der "Prolog zum Weihnachts-fest" gelesen, der Applaus erntete. Pol indes hält nicht sehr viel davon. Meine neueren und neuesten Gedichte seien ein grosser Sprung gewesen, sagen sie in den NW. Ich fuhr heim und nahm meinen Aerger nicht sehr ernst, meinen Aerger über die - nun, sagen wir: "Dichterlesung" ...

Sonntag, 26. Februar:

Kirche. Ein zerzaustes Wetter war. "Will das ein Frühling sein?" sagte ich darüber in dem Gedicht, das ich daheim schrieb. /"Sonntagmorgen Steinhofer Kirche"/. Ich bin nicht sonderlich befriedigt davon, es liegt ausserhalb meiner Linie. Absinkende und wieder ansteigende Stimmung in mir. Nachmittag Ordnungen angestellt, Pol kam! Heute nachmittag findet übrigens noch eine Schreyvogellesung statt, zu der wir aber nicht gehen. Pol hatte befürchtet, dass ich die NW auf meinen gestrigen Aerger hinauf verlassen würde. Er ist übrigens auch in Wut über die Verhunzung unserer Gedichte und hat sich Punkte zusammen-geschrieben, die er Dr. Häussler vorbringen wird.

Mit Pol gut verständigt. Er sagt auch, dass Frl. Sokol meinem Wesen gänzlich fremd sein dürfte. Nichtsdestoweniger habe er entnommen, dass sie mein Gedicht von unlängst /darauf sie mir eine Antwort versprochen oder besser gesagt: angekündigt/ persönlich aufgefasst habe. Nun, in der Tat habe ich nicht die Absicht, mit Frl. Sokol "Planeten zu ballen", wie ich schrieb. Ich schrieb nur als der Imaginäre, den sie in ihrem Gedicht "Bitte" angesprochen hatte. Nur ausgesprochen wurde "Seine Antwort" durch mich.

Ich bin, welche Feststellung zwar durch-aus nicht hierher geöhört, sehr sehnsüchtig nach einem geliebten Mädchen!

Ich lese das Licht der Reklameröhren Von deinen Lippen - sie glänzen zu viel - Wir wollen indessen das die Nacht nicht stören. Sie ist länger von Dauer als unser Spiel Die Nacht hat reine Ein Mühlbach muß
Ich lese das Licht der Reklameröhren Von deinen Lippen - sie glänzen zu viel - Wir wollen indessen die Nacht nicht stören. Ein Mühlbach muß durch blaue Schluchtenkommt aus schwarzen Mulden Und braune Erden im Mondlicht ruhigen Wo ist die Warum Wo ist, die am Ufer stehen müßte - Und einen flachen fel Stein in d Ein flacher Stein klatscht die lockernd in dasins Wasser Das sprühende,Es sprüht, die Zweige fühlen sich seltsamganznaß an, Rinde hinterläßtläßt Schmutz braune Finger. Von Rinde werden die Finger Rinde schuppt braun die Die Finger werden braun von Rinde
Gesicht, schraffiert umrandet mit langem Löffel in der Hand, der auf eine kleinere Figur mit erhobenen Händen zeigt
Am linken Rand scheint die Zeichnung der nächsten Seite durch.
Mathematische, teils durchgestrichene Rechnungen.
Ein Mühlbach kommt ein schwarzes Bett lang Ein Mühlbach kommt ein schwarzes Bett daher Der Mühlbach
Zwei tierähnliche Figuren und eine Figurenzeichnung mit einer Art Ziffernblatt als Kopf
Es ist Mittelalter: Es müßen wieder die Folterung - - ,

Der Mühlbach

27 2 50

Montag, 27. Februar:

Der Tag wurde öder. Nicht zu zeitig stand ich auf. Konsumweg. Ordnungen, Reinschriften angestellt. Sonst die Zeit vertrödelt. Auch Mittag, als Mama mit Tante Fini fortging. Nur, dass ich da chemische Versuche, zu meiner Anregung, vornahm. Ich trug auch das lang versäumte Tagebuch, oder wie man's bei mir nennen will, etwas nach.

Fini kam noch zurück; ich las im fläm. Buch. Erfolglos versuchte ich zu schreiben. Ich notierte gerade die Binsenweisheit, dass Gefühlskälte und Nervenreiz die abstossendste Kombination eingehen.

Die Gespräche hatten irgendwie den Anlass dazu gegeben.

Es gab Schneeregen und Minusgrade ...

Dienstag, 28. Februar:

Früh begann es mit Kälte. Wieder ein trüber Tag. Ziemlich zeitig stand ich auf. Auf den morgigen Semesterbeginn bin ich nun gefasst.

Mit Mama ging ich auf die Linzerstrasse um Ofenrohre. Nächsten Winter werden wir endlich anständig heizen können. /Sonst hatten wir nur einen Petroleumofen!/ Es schneite sogar. Ebert fertiggelernt. Ich denke absurderweise nicht, dass ich diesmal durchfalle. Daheim trieb es mich zum Zugreifen, ich brachte mit Mama deshalb die Rumpelkammer in Ordnung. Das soll die Kompensation der kommenden geistigen Anstrengungen woghl sein.

17 Uhr Redaktion. Sokol kam, sie ärgert sich über Keins "Damenbildnis" und noch mehr über unsere Zustimmung zu diesem und ähnlichen Gedichten. Auch über Herta 28.2.50 =2= Mrazek mit ihrem "Teich - Leben" und dem Nervengedicht, dessen Titel ich vergessen habe.

Neue Lyrik eingereicht. Die Rezensions-arbeit ist bis auf Sokols Anteil fertig. Häussler selbst kritisiterte die Lesung .von Samstag.

An Ort und Stelle oKritik der neueingereicht-ten Lyrik. Cap war heute anwesend, ein sympathischer Mensch.

Seitz gestorben 4/2
kKrise in Frankreich 4/2
Gestank - eine wirkungsvolle Verteidigung
Auch ein Trost! 18 2 50
Professor Thirring legt seine Funktion im "Oesterreichischen Friedensrat" nieder 4/2/50

Spät abends wurde folgende Stimmenver-teilung bekanntgegeben:

25 2 50

Washington, 21. Februar

Karikatur zur atomaren Frage
Fluch den Massenmördern! Erzeugung der Superatombombe beginnt - Wie Reuter aus Washington meldet, hat Präsident Truman der amerikanischen Atomenergiekommission den Auftrag erteilt, die Arbeiten für die Herstellung der Wasserstoffatombombe aufzunehmen den Strick!
II. 50